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Berlin: Auf die harte Tour

Sam Meffire war Vorzeigepolizist, dann landete er im Gefängnis. Jetzt will er jugendliche Serienstraftäter mit militärischem Drill auf den rechten Weg bringen

Von Tanja Buntrock

Der Tag wird im Laufschritt vorübergehen. Straff durchorganisiert. Sie werden laufen, sprinten, Holz hacken, Baumstämme tragen. Und dann wieder – zack, zack – laufen, Liegestütze und Überlebensübungen.

So jedenfalls stellt Sam Meffire sich das vor, nachdem er die Jugendlichen gegen 5.30 Uhr geweckt hat. Vier Wochen lang. In einem Camp, fernab der Zivilisation. Ohne Handy, ohne Drogen, ohne Markenklamotten. Die Jugendlichen, die Sam Meffire so drillen möchte, sollen so genannte „Intensivtäter“ sein – Jugendliche, die immer wieder durch Straftaten und Gewalt auffällig werden. Denen bislang offenbar zu wenig Grenzen aufgezeigt wurden.

Allein in Berlin gibt es derzeit 111 Intensivtäter, gegen die Ermittlungsverfahren laufen. Einige von ihnen haben Schlagzeilen gemacht: Mahmoud, dem die Polizei in Berlin eine Vielzahl von Straftaten vorgeworfen hat, der aber zunächst immer wieder freikam. Mittlerweile sitzt er in Jugendhaft. Oder Sawis, ebenfalls schon länger polizeibekannt, der im April als „Schulhofschläger“ Aufsehen erregte, weil er fünf Lehrer verprügelt hatte. Viele der Serientäter haben einen ausländischen Familienhintergrund, viele erweisen sich als unbelehrbar – auch nach ihrer Strafe.

Sam Meffire, 33, ehemaliger Polizist aus Sachsen, will etwas ändern. Weil er selbst sechs Jahre im Knast saß. Er, den viele noch als Sachsens schwarzen „Vorzeigepolizisten“ kennen, weil er sein Gesicht damals für die Werbekampagne gegen Ausländerfeindlichkeit hergegeben hat. Den ganzen Medienrummel, der daraufhin ausbrach, hat Meffire nicht verkraftet. Er wurde selbst zum Schwerkriminellen: Erst gründete er eine Sicherheitsfirma, dann rutschte er ab ins dubiose Unterwelt-Milieu, in Inkasso-Geschäfte – bis er irgendwann selbst Raubüberfälle beging. „Im Knast habe ich gemerkt, dass sich die Gewaltspirale weiter dreht. Das System, so wie es dort besteht, bringt nichts", ist der Sohn eines Kameruners und einer Deutschen überzeugt. Im Gefängnis bereiteten die meisten schon die nächste Straftat vor. Für junge Intensivtäter sieht Meffire dort keine Chance, ihr Leben in den Griff zu bekommen.

Das Leben im Laufschritt – wenigstens für einige Wochen – soll das Problem lösen. Meffire plant für Intensivtäter in ganz Deutschland ein so genanntes „Bootcamp“. Das Konzept dafür kommt aus dem US-Militär: Dort werden Zivilisten in Bootcamps mit Gewalt zu befehlswilligen Soldaten umgeformt. In den sechziger Jahren schickten die Amerikaner nicht nur Soldaten dorthin, sondern auch junge Straftäter, um ihren Willen mit brutalem körperlichen Stress zu brechen und ihnen die Lust an Straftaten zu nehmen.

„Aber körperlicher Drill allein bringt nichts. Das haben Untersuchungen gezeigt. Eine Vielzahl der Straftäter ist hinterher wieder rückfällig geworden“, erklärt Meffire. Für ihn macht nur eine Kombination aus körperlichem Drill – Meffire bevorzugt den Ausdruck „Intensivtraining“ - mit einer Therapie Sinn. Ein Bootcamp light sozusagen.

Das Camp, das sich der Ex-Polizist für diese Art von Serienstraftäter vorstellt, soll in einem Dorf in der Nähe von Locarno an der Grenze zu Italien aufgebaut werden. Dort hat Meffire schon Erfahrungen gesammelt. Seit seiner Haftentlassung arbeitet er in diesem Dorf bereits als Fitness-Trainer in einer sozialpädagogisch betreuten Wohneinrichtung mit drogenabhängigen, straffälligen Jugendlichen. „Als ich mit den Jugendlichen Sportübungen gemacht habe, ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, dass sie an ihre Grenzen gehen.“

Für die Arbeit mit Intensivtätern sei das von der Zivilisation abgeschiedene Gelände ideal. Meffire stellt sich das Prozedere so vor: Ein Jugendrichter überlässt dem Serientäter die Wahl – entweder Haftstrafe oder Bootcamp. Entscheidet sich der Jugendliche fürs Camp, käme einiges auf ihn zu: Sechs Monate soll das gesamte Programm dauern. Bis zu 15 Plätze plant Meffire pro Durchlauf. Die ersten vier Wochen steht für die jungen Straftäter der Drill auf der Tagesordnung. Für diese Phase habe Meffire drei Mitstreiter – „Ex-Bundeswehr-Soldaten aus der Luftlandebrigade 31“ – an seiner Seite. Geschlafen wird unweit des Dorfes in einem Zelt der Schweizer Armee. Die restlichen Monate leben die Jugendlichen im Wohnprojekt. Zusätzlich zum morgendlichen Drill stünden dann Arbeiten am Haus an, Verpflegung der Gruppe sowie Verhaltenstraining. Und natürlich die Therapie: Das werden die Sozialpädagogen der betreuten Wohneinrichtung übernehmen, für die Meffire bereits arbeitet. „Ohne Stuhlkreissitzungen“, dafür mit Anti-Gewalt- und Kommunikationstraining.

Die Finanzierung sei kein Problem. „Wir brauchen nicht mehr Geld als andere Jugendhilfeprojekte“, sagt er. Das, was ihm noch fehlt, seien Kontakte. Einige Jugendrichter in Deutschland wüssten schon von seinem Projekt, anderen müsse er es erst noch näher bringen. „Wir sind dankbar, wenn Jugendrichter oder Staatsanwälte kommen und sich das Haus und die Umgebung anschauen“, sagt Meffire. Klar, schon jetzt könne er sich vorstellen, „dass bald Kritiker laut aufschreien, wenn sie von dem Projekt hören“. Umso wichtiger sei es ihm, dafür zu garantieren, dass das „Bootcamp“ kein „Kinder-KZ“ wird, wo die Verantwortlichen tun und lassen können, was sie wollen. Eine „Fachaufsicht aus der Justiz oder dem Jugendamt“ wünscht er sich. Dass seine Methode bei schwerkriminellen Jugendlichen etwas bewirkt, daran zweifelt Meffire nicht. „Ich kann mich durchsetzen.“ Er ist überzeugt: Ein Ex-Polizist, der selbst im Knast gesessen hat, den respektierten die Jugendlichen.

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