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Aufarbeitung des BER-Debakels: "Erkennt der Aufsichtsrat Fehler, muss er einschreiten"

Wie kommt es, dass beim BER-Flughafen sämtliche Kontrollmechanismen versagt haben? Die Rechte und Pflichten von Geschäftsführern und Kontrolleuren sind jedenfalls eindeutig geregelt - und schwarz auf weiß nachzulesen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Hat der Aufsichtsrat nicht richtig kontrolliert, als es um den Brandschutz, den Lärmschutz und die Kosten des Hauptstadt-Airports BER ging? Haben Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, aber auch andere Politiker aus Bund und Ländern, die in den Aufsichtsgremien sitzen, entscheidend dazu beigetragen, dass das größte Infrastrukturprojekt in Deutschland mit großem Knall abstürzte? Die Beteiligten selbst zu fragen, lohnt sich nicht. Kein Aufsichtsrat wird sich freiwillig selbst bezichtigen. Nur eine akribische Aufarbeitung des Geschehens durch Landesparlamente und den Bundestag kann, notfalls in Untersuchungsausschüssen, Licht ins Dunkel bringen.

Zum Handwerkszeug der Aufklärer gehört allerdings, die Verantwortlichkeiten sauber auseinanderzuhalten. Bei gutem Willen ist das nicht schwierig, denn für das Management und Controlling öffentlicher Beteiligungen, und dazu gehört auch der Flughafen in Schönefeld, gibt es ein erschöpfendes Regelwerk. Neben dem bundesweit gültigen Aktienrecht sind das in Berlin: die 2009 novellierten Hinweise für die Beteiligungen des Landes Berlin an Unternehmen, das Merkblatt der Finanzverwaltung für Aufsichtsratsmitglieder und der Berliner Corporate Governance Kodex. Wobei für die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH (FBB) ab 2011 der weitgehend gleichlautende Brandenburger Kodex gilt.

So reagierte Berlin auf die Hiobsbotschaft von der geplatzten Eröffnung:

Darin steht, dass der Aufsichtsrat „die Geschäftsführung bei der Leitung des Unternehmens regelmäßig zu beraten und zu überwachen“ hat. Gegenstand der Kontrolle ist die Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. Der Aufsichtsrat kann von den Unternehmenschefs jederzeit Berichte abfordern und muss prüfen, „welche Folgerungen aus der Nichtbeachtung wichtiger Ratschläge zu ziehen sind, insbesondere wenn das Unternehmen dadurch wesentliche Nachteile erleidet“. Um ihrer hohen Verantwortung gerecht zu werden, wird von den Kontrolleuren Sachkenntnis und Erfahrung verlangt. Sie sollen regelmäßig an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen.

Eine herausragende Rolle kommt dem Aufsichtsratsvorsitzenden - also Wowereit - zu.

Weisungen darf der Aufsichtsrat der Geschäftsführung, die die „originäre Verantwortung für die Leitung des Unternehmens“ trägt, aber nicht erteilen. Die Trennung der Funktionen wird mit folgendem Satz noch deutlicher: „Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden.“ Auch das Risikomanagement und -controlling gehört zu den Pflichten der Geschäftsleitung. Allerdings hat der Aufsichtsratsvorsitzende eine herausgehobene Rolle. Er soll mit der Geschäftsführung „regelmäßig Kontakt halten und mit ihr die Strategie, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement beraten“. In diesem engen Zusammenspiel zwischen Management und Kontrolleuren ist die Geschäftsführung verpflichtet, den Aufsichtsratschef unverzüglich über wichtige Ereignisse zu informieren, „die für die Beurteilung der Lage und Entwicklung sowie für die Leitung des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind“.

Ein kleiner Trost: Auch in anderen Ländern gab es Probleme mit den Flughäfen:

Wobei die ausreichende Informationsversorgung des Kontrollgremiums als „gemeinsame Aufgabe von Geschäftsführung und Aufsichtsrat“ angesehen wird. Das gilt für alle bedeutsamen Fragen der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage, des Risikomanagements und der Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien (Compliance). Dazu gehört eine rechtzeitige und ordnungsgemäße mündliche und schriftliche Berichterstattung. Nicht nur im Aufsichtsrat, sondern auch in Finanz-, Controlling- und Projektausschüssen. Für eine erfolgreiche Untersuchung der Frage, was in der Flughafengesellschaft und im Zusammenspiel zwischen Geschäftsleitung und Kontrollgremien schiefgelaufen ist, werden diese vertraulichen Protokolle von ausschlaggebender Bedeutung sein. Auf das Erinnerungsvermögen der Betroffenen und Beteiligten wird man sich erfahrungsgemäß nicht verlassen können.

Im „Merkblatt für Aufsichtsratmitglieder“ ist übrigens festgehalten, dass die Unternehmenskontrolleure eine aktive Rolle wahrzunehmen haben: „Erkennt der Aufsichtsrat Fehler in der Geschäftsführung, muss er einschreiten.“ Andererseits gilt für den Unternehmensvorstand eine „unbedingte Pflicht zur Offenheit“ gegenüber dem Aufsichtsgremium. Dem Abgeordnetenhaus wird übrigens zugestanden, von Berliner Aufsichtsratsmitgliedern „Auskünfte zu verlangen und Berichte abzufordern“. Das gilt auch für vertrauliche oder geheimhaltungsbedürftige Angaben. Auf ihre Verschwiegenheitspflicht können sich die Kontrolleure nur in begründeten Fällen berufen. Auch der Rechnungshof kann eingeschaltet werden.

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