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Potsdamer Platz

© Kitty Kleist-Heinrich

Aufbau Mitte: Potsdamer Platz ist ein Erfolg

Nur Gerüchte? Wieder einmal ist der Potsdamer Platz als Verkaufsobjekt im Gespräch. Doch selbst wenn Sony und Daimler wegziehen sollten - die Anziehungskraft auf Berliner und Touristen wird bleiben.

Nur Gerüchte? Wieder einmal ist der Potsdamer Platz als Verkaufsobjekt im Gespräch, und wie vor einem Jahr versichern die Grundeigentümer Sony und Daimler: „Spekulation, kein Kommentar.“ Immobilienhändler horchen auf und glauben an die Verlockung hoher Verkaufspreise. Dass sich die Lage Potsdamer Platz nicht lohnt, scheint angesichts des Publikumserfolgs ausgeschlossen.

Sie lohnt sich offenbar, und daran werden auch mögliche neue Eigentümer nichts ändern wollen. Berliner und Touristen haben das Viertel angenommen, es ist so selbstverständlich zum Bestandteil der vereinten Stadt geworden, dass schon die Jahrestage seiner Eröffnung allmählich in Vergessenheit geraten.

Was damals, vor fast genau neun Jahren, selbst die Erbauer kaum glauben wollten, hat sich erfüllt. Der Potsdamer Platz, einst Randlage der geteilten Stadt, ist eine erste Adresse in der neuen Mitte geworden, während sein Nachbar Leipziger Platz bislang nur mit Potemkinschen Fassaden Kontur gewinnen kann. Am „Potsdamer“ treffen sich Leute jeden Alters, und sei es auf dem schmalen Podest unter der historisch nachempfundenen Uhr. Der Platz scheint für jede Überraschung gut, es gibt viel zu sehen, zu lästern. Hier ist der Potsdamer Platz wirklich „Platz“. Die Leute finden es schade, dass unter der Uhr so wenig Platz ist.

Aber hier funktioniert die Stadt so, wie sich ihre Planer die einst zerbombte und geteilte Mitte der Stadt vorgestellt haben. Die Idee der abwechslungsreichen „europäischen Stadt“ sollte verwirklicht werden, mit Geschäften und Büros – aber auch mit Wohnungen, was die Investoren zunächst skeptisch beurteilten, die jedoch heute froh sind, dass die Stadt sie dazu gezwungen hat. Denn Wohnungen lassen sich gut vermarkten – und sie beleben das Viertel. Der anfangs befürchtete Geschäftsleerstand, die Sorge in der Bevölkerung, hier werde ein Stadtteil ausschließlich für Betuchte entstehen, erwies sich als unbegründet. Rund 100 000 Leute kommen hier täglich vorbei: wochentags 60 Prozent Berliner, an den Wochenenden überwiegt der Anteil der Touristen. Sie schlendern durch das Viertel am Marlene-Dietrich-Platz, den die städtebaulichen Planer um Renzo Piano als Mittelpunkt des Daimler-Areals konzipiert und in der Entwurfsphase „La Piazza“ genannt hatten.

Hier wird viel fotografiert und gefilmt, aber mehr noch vorn direkt am Platz die drei Hochhausriesen der Architekten Renzo Piano, Hans Kollhoff und Helmut Jahn. Viele Fernsehfilme kommen ohne diese Häuser, zu denen sich auch das Beisheim-Center am Platzrand gesellt hat, nicht aus. Die Bauwerke gelten als Beispiel für die moderne Metropole.

Die Berliner gehen hier gern ins Kino, freuen sich über das Musicaltheater, den Berlinale-Treffpunkt oder das Shoppingcenter der Arkaden, das der eigentliche Mittelpunkt des Areals geworden ist. Die Diskussion über die Privatisierung des öffentlichen Raums und den Einsatz von privatem Wachpersonal? Lange her. Vor den Arkaden an der Potsdamer Straße, vorm alten Haus Huth, ist einer der belebtesten Plätze der Stadt entstanden. Und im Gebäude selbst sind fast alle Branchen vertreten. Warteschlangen vor der Eistheke gibt es das ganze Jahr über, kulinarisch ist mehr los, als zunächst erwartet wurde, mitunter recht kontrastreich: Da gibt es beispielsweise Krustenbraten gleich neben der Kirschtorte. Nur die typische Eckkneipe fehlt noch, die den Hauch einer gewissen berlinischen Gemütlichkeit ausströmen könnte.

Es gibt kaum Leerstand in den Wohnungen ringsum oder in den Geschäften. Im Untergeschoss des Daimler-Quartiers Richtung Regionalbahnhof ist eine größere Ladenfläche ungenutzt, aber die Inhaber nebenan versichern, das sei schon immer so gewesen. Auch die große Bahnhofsebene, von den Arkaden durch eine Drehtür getrennt, gehört zum Potsdamer Platz. Sie ist allerdings von einer einschüchternden Weite, gläserne Trennscheiben sind stellenweise zerkratzt oder eingeschlagen. Das passt nicht zum gestylten Bild des oberen Viertels, auch der unterirdische Zugang zum Sony-Center wirkt merkwürdig vergessen. Die Geschäfte sind nicht überlaufen, ein Restaurant steht schon lange leer. Geschäftsinhaber dort hatten sich vom neuen Regionalbahnhof mehr Passanten erhofft.

Unterm Zeltdach des Sony-Centers ist die neue Welt am Potsdamer Platz in Ordnung, der Ort ist berühmt für öffentliche Veranstaltungen, unvergessen sind die Fußball-WM-Übertragungen. Der Platz ist beliebt als überdachtes Forum, als Treffpunkt. Hier sprudelt das Wasserspiel, das viele Berliner und Touristen auf dem Potsdamer Platz selbst vermissen, hier gibt es die Reste der alten Bebauung zu sehen oder eher zu erahnen, denn die Säle des alten Esplanade sind hinter Glas nur schwer zu erkennen.

Manchen Leuten fällt auf dem Sony-Gelände an der Potsdamer Straße ein Wegweiser auf: Er zeigt nach vorn Richtung Kulturforum, nach halbrechts Richtung Philharmonie, nach rechts zur Bellevuestraße. Nach links, wo gegenüber das Daimler-Quartier liegt, zeigt kein Pfeil. Aber das sind kleine Feinheiten, die auf eine sorgfältige Abgrenzung hindeuten. Bis der Mittelstreifen zwischen beiden Quartieren ansehnlicher war, dauerte es sieben Jahre. Auch jetzt wirkt er mit seinen steinernen Bänken kalt, bei Regen bilden sich schnell hässliche Pfützen. Auch fehlt es an Fußgängerübergängen.

Von Berlinern aus West und Ost wird der Platz als gemeinsames Stück neues Berlin empfunden. Oft noch als eine Art „Insel“. Seine Erbauer sagen, die Insellage sei vorbei, der Platz sei jetzt verwachsen mit dem Umfeld. Das Experiment, ein Stück lebendige Stadt neu zu bauen, sei gelungen.

So ein Erfolgsmodell soll verkauft werden? Und wenn, wer wollte sich aufregen? Die Anziehungskraft bleibt.

Im Frühjahr 1989 beschloss die damalige Daimler-Benz AG, ihre debis-Hauptverwaltung in der Nähe des Potsdamer Platzes zu bauen. Erste Planungen erwiesen sich als voreilig: Mit dem Mauerfall wurde aus dem brachliegenden Randgebiet eine zentrale Lage. Die Planungen wurden nun auf ein ganzes Stadtviertel erweitert. Büros, Wohnunen (20-Prozent-Anteil), Gewerbe und Entertainment sollten entstehen, ferner ein Teich. Zunächst entwickelte sich die größte Baustelle der Stadt, mit einer „Infobox“ als Aussichtsplattform. Im Oktober 1998 wurde das Daimler-Quartier eröffnet, im Juni 2000 war der benachbarte Sony-Komplex fertiggestellt. C. v. L.

Christian van Lessen

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