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Berlin: Auflauern und abziehen

Immer häufiger wird unter Schülern geraubt Neuköllner Eltern richten Hilferuf an Bezirk

Die Gewalt unter Berliner Schülern hat nach Auskunft des Landeselternsprechers André Schindler auch in diesem Jahr zugenommen. Verbreitet sei das sogenannte „Abziehen“. Dabei rauben mehrere Täter ein meist jüngeres Opfer aus, häufig werden Turnschuhe, Handys und Jacken weggenommen.

Zuletzt hatten sich Eltern, deren Kinder die Kepler-Oberschule in Neukölln besuchen, mit einem Hilferuf an den Bezirk gewandt. Ein 16-jähriger Junge ist dort kürzlich von Mitschülern bedroht und beraubt worden. Zuvor wurde ein 14-Jähriger von einem Mitschüler auf dem Schulweg in der Köllnischen Heide bestohlen. „Es ist allerhöchste Zeit, ein Signal zu setzen“, sagt Schulleiter Wolfgang Lüdtke. Auf die Kepler-Oberschule gehen 225 Schüler, davon sind etwa 70 Prozent nichtdeutscher Herkunft.

Längst seien nicht nur Hauptschulen von Gewalt zwischen Schülern betroffen, sagt Schindler. Auch an Gymnasien gebe es solche Fälle. Vielerorts würden Schüler an Bushaltestellen oder auf dem Schulweg angegriffen. Dabei stammten viele Täter von einer anderen Schule als die Opfer. „Das kann in allen Bezirken passieren“, sagt Schindler. Zunehmend würden auch Kinder solche Taten begehen. „Viele Schläger sind jünger als 14 Jahre.“ Schulleiter bestätigen, dass sich inzwischen schon zwölfjährige Jungen an Raubtaten beteiligten.

Seit Jahren gebe es ein hohes Niveau an räuberischen Erpressungen, hieß es gestern auch von Hauptschulen aus Wedding und Reinickendorf. Derzeit stellt der Senat die Zahlen der Gewaltvorfälle für das Schuljahr 2005/2006 zusammen. Experten gehen davon aus, dass sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt: Gab es an den Berliner Schulen im Schuljahr 2003/2004 noch 365 gemeldete Körperverletzungen, so waren es im vergangenen Jahr schon fast 600 Fälle. Insbesondere in Mitte und Neukölln zeigen Lehrer jetzt Gewalttaten öfter an. Über Gewalt an den Schulen des Bezirks diskutierte gestern die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln. Indes sieht der Sozialwissenschaftler Frank Gesemann mangelnde Zukunftsaussichten und fehlende Identifikation mit gewaltfreien Normen als eine Ursache für Auseinandersetzungen. Das Schulpersonal bräuchte auch eine sozialarbeiterische Ausbildung. „Die Kinder und Jugendlichen brauchen Perspektiven“, sagt auch Schulleiter Lüdtke.

Erst im März dieses Jahres sahen Lehrer der Rütli-Hauptschule in Neukölln keinen Ausweg mehr und forderten in einem offenen Brief die Auflösung der Einrichtung. Immer wieder war es an der Schule zu Gewaltausbrüchen gekommen, Lehrkräfte waren teilweise nur noch mit Handy in bestimmte Klassen gegangen, damit sie im Notfall Hilfe rufen konnten. Zwischenzeitlich kontrollierten Polizisten die Schüler sogar auf Waffen. An der Schule hat sich die Situation jetzt aber durch vielerlei Hilfe verbessert.

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