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Berlin: Aufregender als die Kommunalwahl

Potsdams Einwohner stimmten über den Bau eines Spaßbades ab – und verabreichten der Stadtpolitik eine kalte Dusche.

Potsdam - Die Potsdamer haben entschieden: Das neue Sport- und Freizeitbad der Landeshauptstadt soll im Stadtzentrum auf dem Brauhausberg gebaut werden. Das ist Ergebnis einer Bürgerbefragung, an der sich knapp 70 000 Potsdamer beteiligten – das entspricht 52,8 Prozent der Stimmberechtigten ab 16 Jahren. Die Beteiligung war damit leicht höher als bei der vorigen Kommunalwahl 2008. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gab am Mittwoch das Bürgervotum bekannt.

Für den Standort Brauhausberg vis à vis dem Hauptbahnhof, auf dem noch die Schwimmhalle aus DDR-Zeiten steht, haben sich zwei Drittel der teilnehmenden Potsdamer ausgesprochen. Nur ein Drittel befürwortete einen Badneubau neben der Tropenhalle Biosphäre im Volkspark im Potsdamer Norden. Damit haben die Bürger einen jahrelangen Konflikt um den Neubau eines Schwimmbads beendet – und gegen den erklärten Willen von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und seine Rathauskooperation aus SPD, CDU, Bündnisgrünen und FDP entschieden. Das Bündnis hatte für den Standort Volkspark geworben, vor zwei Jahren hatte das Stadtparlament sogar bereits beschlossen, das neue Bad dort zu bauen – doch weil der Kostenrahmen von 18 Millionen Euro nicht gehalten werden konnte, die Potsdamer Linke und eine Bürgerinitiative die Erhaltung des DDR- Bads forderten, begann die Debatte in der Stadt erneut. 100 000 Euro sind in die Planung für das Volkspark-Bad geflossen, die jetzt nicht mehr gebraucht wird.

Vor einigen Jahren waren Potsdams Schwimmbad-Pläne schon einmal spektakulär gescheitert. Damals hatte das Rathaus den Stararchitekten Oscar Niemeyer mit einem Entwurf für ein Freizeitbad am Brauhausberg beauftragt. Obwohl die Kosten von 50 auf 33 Millionen Euro reduziert wurden, versagte die Landesregierung dem Projekt eine Förderung. Rund vier Millionen Euro hatten die Potsdamer Stadtwerke als Bauherr damals ausgegeben. Der Brauhausberg wurde planiert und liegt seitdem brach. Potsdam hat derzeit zwei öffentliche Bäder, aber kein Spaßbad.

Das neue Sport- und Freizeitbad soll bislang 23 Millionen Euro kosten. Doch schon am Mittwoch schloss Oberbürgermeister Jakobs eine Kostensteigerung nicht aus. Auch sind die Bedingungen im Stadtzentrum nach Ansicht der Rathausspitze äußerst kompliziert. Das neue Bad werde daher frühestens Mitte 2016 fertig sein, so Jakobs. Da es in unmittelbarer Nähe zum Stadtschloss errichtet werden soll, das derzeit als Landtag wiederentsteht, könne es kein reiner Zweckbau sein, so Jakobs. Dass der Niemeyer-Entwurf, den Potsdam „fertig in der Schublade“ hat, wieder aufgelegt wird, schloss Jakobs aus – vor allem, weil auf dem Brauhausberg neben dem Schwimmbad auch 200 Wohnungen neu gebaut werden sollen. Potsdam braucht die Einnahmen aus dem Verkauf der Flächen für den Wohnungsbau dringend. Mindestens sechs Millionen Euro müssen fließen, damit das neue Bad finanziert werden kann. Förderung des Landes gibt es nicht. Um anspruchsvolle Architektur zu sichern, will Potsdam im Frühjahr 2013 einen städtebaulichen Wettbewerb starten. Baubeigeordneter Matthias Klipp (Bündnisgrüne) sagte, das Bad am Brauhausberg sei „eine Riesenarbeit, die ich uns gern erspart hätte“. Doch die Potsdamer seien „wie immer gnadenlos“ gewesen.

Linke-Fraktionschef und Ex-Oberbürgermeister-Kandidat Hans-Jürgen Scharfenberg, der seit Jahren für ein Brauhausberg-Bad kämpft, sah sich als politischer Sieger der Bürgerbefragung. Er forderte am Mittwoch, jetzt auch den Niemeyer-Entwurf noch einmal zu prüfen. Die Fraktionen im Stadtparlament bekräftigten, dass sie das Bürgervotum respektieren. Im Juni soll der Beschluss für das Brauhausberg-Bad fallen.

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