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Berlin: Aufstand gegen das „Kommerz-Schloss“

Empörung über Pläne aus dem Bundesfinanzministerium: Statt Kultur sollen im neu errichteten Barockbau Hotels und Büros unterkommen

Gegen die neuen Nutzungsvorschläge für das Schloss hagelt es Proteste. Das Bundesfinanzministerium schlägt vor, bei einem Aufbau des Berliner Stadtschlosses 80 Prozent der Flächen kommerziell, etwa für Büros und ein Fünf-Sterne-Hotel, zu nutzen, nur 20 Prozent kulturell. Gerade umgekehrt aber hatte es der Bundestag beschlossen . Empört reagierte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die im künftigen Stadtschloss Museen einrichten will: „Das Konzept ist von den Füßen auf den Kopf gestellt worden. Damit kann ich nicht leben.“ Wilhelm von Boddien vom Förderverein Berliner Schloss fühlte sich „aufgeregt“. Abgeordnete sprachen von einem „Kommerz-Schloss“.

Ein Sprecherin des Bundesfinanzministeriums wollte sich gestern zu einem „internen Arbeitsergebnis“ nicht äußern. Man warte jetzt die Sitzung der „Arbeitsgruppe Schloss-Areal“ ab. Die von Kulturstaatsministerin Christina Weiss geleitete Arbeitsgruppe kommt am Dienstag zusammen. Frau Weiss ließ mitteilen, sie werde sich mit dem Finanzministerium noch verständigen müssen. Noch kürzlich hatte sie betont, am Ort des zerstörten Hohenzollern-Schlosses solle „das so oft beschriebene und klug konzipierte Humboldt-Forum entstehen, zu dem es keine ernsthafte Alternative gibt“. Es handele sich um ein „kulturpolitisches Bekenntnis, das unumstößlich ist“.

Ein kulturell-öffentlicher Schwerpunkt – mit den noch in Dahlem angesiedelten außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit Sammlungen der Humboldt-Universität und mit Bibliotheken – lässt sich auf 20 Prozent der Fläche nicht verwirklichen. Dies widerspricht auch den Empfehlungen der Expertenkommission Historische Mitte, auf denen der Bundestagsbeschluss zur Neugestaltung des Schlossplatzes vom 4. Juli 2002 beruht.

„Ein Kommerz-Schloss wurde niemals beschlossen und wäre ein Frevel“, sagte die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Die bündnisgrüne Parlamentarierin Franziska Eichstädt-Bohlig sprach von „unwürdigen Aussichten“. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) erwartete, dass sich die Vorstellungen von Bundesfinanzminister Hans Eichel nicht durchsetzen ließen. Aus Klaus Wowereits Umgebung hieß es: „Abwarten.“

Eichels Behörde hatte öfters durchblicken lassen, dass sie kein solides Finanzierungskonzept für ein mit Steuermitteln finanziertes 670-Millionen-Euro-Projekt sieht. Intern wurde unter anderem an den privatfinanzierten Bau von Hotels und Büros gedacht. Die Arbeitsgruppe unter Leitung der Kulturstaatsministerin will aber gerade ein „konkretes Nutzungs- und Finanzierungskonzept“ für den Schlossneubau finden. Die Expertenkommission Historische Mitte hatte sich vorgestellt, dass 230 Millionen Euro durch öffentliche Mittel finanziert werden. Bund und Land wiesen stets auf die desolate Kassenlage. Zunächst müsse Geld für die Museumsinsel aufgebracht werden.

Für den Bau von drei Barockfassaden des Schlosses will Wilhelm von Boddiens Förderverein 80 Millionen Euro aufbringen. Knapp fünf Millionen Euro sollen durch Spenden schon zusammengekommen sein. Von Boddien ist sicher, dass in der von Kulturstaatsministerin Weiss geleiteten Arbeitsgruppe, in der auch Vertreter anderer Ministerien und Senatsverwaltungen sitzen, die Befürworter einer 80-prozentigen „kulturellen Lösung“ die Mehrheit haben. Er fürchtet aber, dass sie sich wegen der knappen öffentlichen Mittel kaum durchsetzen können. Bei dieser Finanzlage über die Verteilung im Schloss zu entscheiden, sei „Harakiri“. Man sollte nun bis 2006 für beide Lösungen planen – die kommerzielle und die kulturelle. Bis dahin habe sich vermutlich die öffentliche Kassenlage verbessert, die kulturelle Lösung könne dann verwirklicht werden. Mit einem Baustart sei ohnehin frühestens in drei Jahren zu rechnen, meinte von Boddien.

Noch steht dort, für Kultur neu entdeckt, der Palast der Republik. Die Bündnisgrünen beantragten gestern im Abgeordnetenhaus „1000 Tage kreative Zwischennutzung“.

Christian van Lessen

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