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Auftritt der Woche: Kinderquatsch für Große

Sascha Grammel aus Spandau füllt mit seinem Comedy-Programm große Hallen. Fast über Nacht ist der Bauchredner berühmt geworden und spielt nun vor 3000 Leuten.

Bauchreden? Geht ja wohl gar nicht. Da tauchen im Unterbewusstsein eingestaubte Gespenster aus dem inneren Fernsehmuseum auf. Erinnerungsfetzen aus langweiligen Samstagabendshows, in denen ein Herr im Smoking eine Puppe im Smoking auf dem Schoß sitzen hatte, mit der er leidlich lustige Dialoge führte. Einen weißen Stoffhund hatte der auch. Mein Gott, wie hieß der Kerl bloß? Sascha Grammel jedenfalls nicht.

Der derzeit berühmteste Bauchredner aus Spandau ist 1974 geboren und hat sich nach langen Lehrjahren als Realschüler, Zahntechniker und Zauberkünstler vor ein paar Jahren darangemacht, die als piefig gebrandmarkte alte Jahrmarkts- und Varietékunst des Bauchredens wiederzubeleben. Und seit anderthalb Jahren mit unfassbarem Erfolg: Seine drei Berliner Shows am kommenden Mittwoch, Donnerstag und Freitag in der Universität der Künste sind seit ewig und drei Tagen ausverkauft. Seine Benefizshow „Lachen tut Gutes“ für die Krankenhausclowns „Rote Nasen“, die er einmal im Monat im Kulturhaus Spandau spielt, sogar schon bis Mai 2012. Nur für die Show im Februar 2012 im Tempodrom gibt es noch Karten. Und im Fernsehen ist er reichlich zu sehen, beispielsweise im Oktober in der Carmen-Nebel-Show.

Anfang 2009 sei er – immerhin schon als deutscher Vizemeister der Zauberkunst ausgezeichnet – noch mit Werbezetteln durch die Spandauer Altstadt gezogen und habe in Geschäften gebettelt, um sie auslegen zu dürfen, sagt Sascha Grammel. „Und jetzt spiele ich vor 3000 Leuten.“ Die Verblüffung ist dem jungenhaften Typen mit den blonden Strähnchen im Haar deutlich anzumerken. Für Menschen, die Bauchredner piefig finden, hat er vollstes Verständnis. „Da gibt es richtig schlimme Leute, ich weiß das, ich war einer von ihnen.“ Grammel gluckst. „Und Spandau ist ja auch piefig, da bleibe ich mir selber treu.“

Eine Ahnung, wo der Hype herkommt, hat der Comedian nicht, lange genug wollte ihn keiner sehen. „Aber ich weiß, dass er sich abnutzt, also genieße ich jetzt den Augenblick.“ Und der besteht aus ausverkauften Gastspielen in ganz Deutschland, 30 Fernsehauftritten in 2010 oder einem Auftritt bei „Stars for free“ am vergangenen Sonnabend in der Wuhlheide. Er habe halt Mainstream-Humor und begeistere durch Harmlosigkeit, analysiert Sascha Grammel das Phänomen selbstironisch.

Los ging das alles mit einer DVD seines ersten abendfüllenden Programms „Hetz mich nicht!“, die Universal Music mit dem Puppenspieler und Bauchredner produzierte. Dann kamen Fernsehauftritte in Talk- und Comedyshows, der Schneeballeffekt Internet und fertig war die Grammel-Lawine. Ein bisschen wie bei seinem hierzulande ebenfalls durchs Netz berühmt gewordenen Kollegen Jeff Dunham, einem bauchredenden Amerikaner, zu dessen Puppenpark ein skelettierter toter Terrorist namens Achmed gehört. Oder wie beim Friedrichshainer Réne Marik, der mit seinem stotternden, blinden Maulwurf große Hallen füllt.

Die klassische Stand-up-Comedy habe ihren Höhepunkt hinter sich, meint Sascha Grammel. Deswegen sei jetzt „Puppet Comedy“ das große Ding. Selbst die O2-World hat man ihm schon als Spielort angeboten. Will er aber nicht rein. „Da verlieren sich die Puppen nur in der Größe, die brauchen Intimität.“ Drei Jahre Training hat er gebraucht, bis er als Bauchredner so gut war, dass die Leute ihm seine Charaktere abgekauft haben: den punkigen Adler-Fasan Frederic Freiherr von Furchensumpf, dessen Kiffer-Lebensmotto die Show betitelt; die kulleräugige Schildkröte Josie, die als wunderlicher EC-Automat tätig ist, und Professor Peter Hacke, ein Ernährungswissenschaftler in Form eines Big Macs. Dass er mit denen öffentlich Selbstgespräche führe, sei ihm nicht unheimlich, sagt Grammel, den die Muppet-Show schon in jungen Jahren den Puppen nahegebracht hat. „Unheimlich ist mir die Tatsache, dass mir so viele dabei zuhören.“ Und wenn man dabei deren entzückte Kindergeburtstagsgesichter sieht, scheint sicher, dass „Hetz mich nicht!“ im Februar im Tempodrom ebenfalls vor vollen Rängen vonstatten geht. Dort zu spielen, ist ein alter Traum von ihm. Jetzt – fast über Nacht – wird er wahr.

Universität der Künste, Mi-Fr 14.-16.9., ausverkauft, aber: Tempodrom, Di 13.2.12, Karten unter www.saschagrammel.de

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