zum Hauptinhalt

Berlin: Aus der Ruhe entspringt ein Buch

Die Autorin Ariane Grundies schreibt lieber, als dass sie redet. Soeben ist ihr erster Roman erschienen

Sie passt nicht recht an diesen Ort, denn hier ist es laut, voll, hibbelig. Im Café Bilderbuch in der Akazienstraße in Schöneberg sitzen junge Menschen beisammen, unterhalten sich aufgedreht und kämpfen dabei gegen die Lautstärke der Musik an, die über die Lautsprecherboxen läuft. Ariane Grundies sitzt auf einem alten Sofa mit geschwungener Rückenlehne und versinkt darin fast.

Sie trägt Jeans und ein dunkles Oberteil mit hohem Kragen, hinter dem sie ihr Gesicht beim Reden manchmal versteckt. Eigentlich wirkt die junge Autorin viel zu introvertiert für dieses Café, das sie für das Gespräch vorgeschlagen hat, weil sie gleich in der Nähe wohnt. Vor ihr auf dem Tisch steht ein Glas Tee, das sie mit den Fingern immer wieder umschließt, wenn sie in kurzen Sätzen auf die Fragen antwortet. Klar, dass jemandem wie ihr das Schreiben leichter fällt als das Reden.

Es ist noch nicht lange her, da hat sich die seit vier Jahren in Berlin lebende Autorin an einen sehr viel ruhigeren Ort zurückgezogen. In Otterndorf, einer idyllischen Kleinstadt an der Nordsee, hat Grundies ihren ersten Roman „Am Ende ich“ fertig geschrieben, der soeben erschienen ist und aus dem sie morgen im Roten Salon der Volksbühne vorlesen wird. Erzählt wird die Familiengeschichte der Zwillinge Max und Lutz, die sich nach einem Unfall ihrer Mutter an deren Krankenbett einfinden. Und überlegen, wie sie die im Koma liegende Frau von ihrem Leid erlösen. Vielleicht ersticken?

„Das Buch ist das genaue Gegenteil von dem geworden, was ich mir vorgenommen hatte“, sagt Ariane Grundies. Das trifft die Sache vielleicht nicht ganz, denn vorgenommen hatte sich die 27-Jährige eigentlich nur eins: keine Kurzgeschichten mehr. Die veröffentlichte sie nämlich schon im vergangenen Jahr mit dem Band „Schön sind immer die anderen“. Ariane Grundies sagt: „Ich wollte diesmal eine andere Form finden.“

Wenn Grundies erzählt, bekommt man oft den Eindruck, dass sich für sie vieles im Leben einfach gefügt hat. Seit sie denken kann, habe sie schreiben wollen. Die erste Geschichte bringt sie zu Papier, nachdem der ältere Bruder ihr das Schreiben beibringt. Da ist sie vier. In der Schule im heimatlichen Stralsund gilt sie als Außenseiterin, weil sie sich lieber zurückzieht, statt ihre Zeit mit den Mitschülern zu verbringen. 1998, als sie im Alter von 19 zum Studium am Deutschen Literaturinstitut nach Leipzig geht, trifft sie endlich Gleichgesinnte. Dort habe sie sich verstanden und aufgehoben gefühlt, sagt Ariane Grundies. Auch wenn ihr das Studium bald keinen Spaß mehr macht, weil sie eben doch lieber für sich ist. Allein mit ihren Gedanken.

„Das Schreiben ist für mich ein Traumjob: allein zu sein, keine Kollegen und Termine zu haben, nirgendwohin gehen zu müssen“, sagt Ariane Grundies, „vermutlich finden das die allermeisten total schrecklich.“ Natürlich könnte man nun denken, dass da jemand einfach nur perfekt das Klischee des einsamen Schreibers erfüllen will, der die Welt nicht versteht und sich deshalb aus ihr zurückzieht. Ganz so ist es aber nicht, betont die Jungliteratin. Offenbar auch deshalb, weil sich ein Autor mit dem Leben auseinandersetzen muss, wenn er es authentisch aufschreiben will.

Auseinandergesetzt mit ihr haben sich die Juroren des Berliner Literaturwettbewerbs „Open Mike“, den Ariane Grundies 2002 gewinnt. Kurze Zeit später dann der erste Buchvertrag. Von all dem erzählt die Autorin mit Zurückhaltung, ohne den Eindruck des falschen Understatements erwecken zu wollen. In einer Zeit, in der viele Jungliteraten gern mit dem Erreichten prahlen, ist das ein sehr angenehmer Charakterzug. Sprechen will Ariane Grundies darüber aber lieber nicht.

„Am Ende ich“ ist im Verlag Kein & Aber erschienen und kostet 16,90 Euro. Am Sonnabend ab 20 Uhr liest Ariane Grundies im Roten Salon der Volksbühne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false