zum Hauptinhalt
Klare Aussage. So manchem geht öffentliche Werbung viel zu weit.

© Iimago / Steinach

Außenreklame auf öffentlichen Flächen: „Sexistische Werbung“ soll in ganz Berlin verboten werden

Immer mehr Bezirke wollen Werbung verbieten, die Frauen diskriminiert oder auf Lustobjekte reduziert. Auch die Landesregierung zieht mit. Eine Jury soll über die Reklame entscheiden.

Spärlich bekleidete Frauen auf Werbeplakaten werden von Berliner Politikern schon seit Jahren nicht gern gesehen. Anfang 2014 untersagte Friedrichshain- Kreuzberg „sexistische Werbung“ auf 28 vermieteten Reklameflächen. Nun ziehen weitere Bezirke nach, und auch Rot-Rot-Grün plant ein Verbot.

In der laufenden Neuausschreibung landeseigener Werbeflächen müsse „der Ausschluss von sexistischer Werbung und diskriminierenden Inhalten eine harte Vergabebedingung“ werden, steht in der Koalitionsvereinbarung. Aber auch auf privaten Werbeflächen wolle man „diskriminierende Werbung durch Einrichtung eines Expert*innengremiums prüfen und verhindern“.

Ganz ähnlich liest sich ein Antrag, den die Linksfraktion in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf eingebracht hat. Das Bezirksamt soll Reklame, die „Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer sexuellen Identität herabwürdigt“, in allen Werbeverträgen ausschließen. In einem langen Kriterienkatalog listen die Linken auf, wann Werbung unzulässig sein soll – zum Beispiel, wenn Frauen zwar als schön dargestellt werden, aber zugleich als „(willens)schwach, hysterisch, dumm, unzurechnungsfähig, naiv, ausschließlich emotionsgesteuert etc.“.

Sexy gekleidete Frauen, die „ohne Anlass lächeln“

Außerdem geht es unter anderem um Plakate, die Frauen auf ein „käufliches, sexuell verfügbares Lustobjekt“ reduzieren. Tabu sein sollen auch Bilder, auf denen „die Frau kaum oder sehr körperbetont bekleidet und ohne Anlass lächelnd inszeniert wird, während der Mann vollständig und bequem bekleidet (z.B. in einem Anzug) ist“. Denn dies vermittele den Eindruck, dass sich die Geschlechter „nicht auf Augenhöhe begegnen“

SPD und Grüne unterstützen BVV-Antrag der Linken

Die BVV hat zwar noch nichts beschlossen, aber eine Mehrheit ist absehbar – denn SPD und Grüne haben ihre Zustimmung signalisiert. Dagegen findet die CDU-Fraktion, die Politik habe kein Recht, „in den freien Werbemarkt einzugreifen“, vielmehr müsse „ein Umdenkprozess bei den Werbeagenturen und Unternehmen“ angeregt werden. Auch die FDP-Fraktion sieht Werbung „durch die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit geschützt“. Die AfD kritisiert die „Belehrungs- und Verbotsexperten“.

Beschwerden gab es schon lange nicht mehr

Aber wie groß ist das Problem überhaupt in Berlin? Momentan sei ihm keine sexistische Werbung in Charlottenburg- Wilmersdorf bekannt, gibt Linken-Fraktionschef Niklas Schenker zu. Der Vorstoß habe grundsätzlichen Charakter.

Im Vorreiter-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sagt die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Petra Koch-Knöbel, sie habe seit dem BVV-Beschluss keine Beschwerden mehr gehört. Anscheinend seien Werbetreibende „sensibilisiert“.

Dem Beschluss in Friedrichshain- Kreuzberg schloss sich im Frühjahr 2015 auch die BVV Pankow mit den Stimmen der Linken, der Grünen und der SPD an. Wegen der „gesamtstädtischen Bedeutung“ wurden dabei auch die zuständigen Senatsverwaltungen aufgefordert, mitzuziehen. Die nächste Initiative bahnt sich gerade in Mitte an: Laut einem Bezirkamtssprecher gibt es einen Antragsentwurf der Linken und Grünen.

Werbeflächen sollen zentral vermarktet werden

Voraussichtlich ab 2019 werden die Bezirke aber nicht mehr für Reklameflächen zuständig sein. Denn die vom Senat gestartete Neuausschreibung der gesamten Außenwerbung sieht eine Zentralisierung auf Landesebene vor. Das erklärte Ziel lautet, den „Wildwuchs“ unterschiedlichster Verträge zu beenden. Die meisten davon bestehen mit der Wall AG, der zum Jahresende 2018 gekündigt wurde. Das hat aber nichts mit sexistischer Werbung zu tun – weder Wall noch deren Kunden fielen in den vorigen Jahren auf.

Künftig wird es vor allem darauf ankommen, wie das in der Koalitionsvereinbarung angestrebte Verbot frauenfeindlicher Werbung umgesetzt wird. Bisher sei darüber nicht weiter beraten worden, sagt die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Ines Schmidt. Bis Ende kommenden Jahres bleibe schließlich noch viel Zeit.

Ein Schelm, wer bei diesem BVG-Slogan nicht nur an Hunde denkt?
Ein Schelm, wer bei diesem BVG-Slogan nicht nur an Hunde denkt?

© BVG

„Möpse“-Reklame der BVG führte zu Protest

Schmidt ist auch Gesamtfrauenvertreterin und Aufsichtsratsmitglied der BVG – und hatte so mit dem bisher letzten bekannt gewordenen Streit um Werbung zu tun. Dabei ging es um den Slogan „Du musst deine Möpse nicht verstecken“. Unter dem Bild eines traurig blickenden kleinen Hundes, den jemand in einer U-Bahn weitgehend vor den Blicken anderer Fahrgäste verbirgt, stand: „Kleine Haustiere fahren bei uns gratis.“

Die damalige Charlottenburg-Wilmersdorfer Gleichstellungsbeauftragte Carolina Böhm (SPD) schrieb im Sommer 2016 deshalb an BVG-Chefin Sigrid Nikutta: „Das Ganze ist dumm. Denn man sieht nur einen Mops auf dem Plakat. Sowohl männliche als auch weibliche Mitbürger haben sich darüber beschwert.“

Dagegen nimmt Ines Schmidt ihren Arbeitgeber in Schutz: „Es ist eine Generationenfrage.“ In einer BVG-internen Befragung hätten junge Leute mit dem Motiv in erster Linie den Hund assoziiert.

Zur Startseite