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Judenhetze im "Stürmer", der antisemitischen NS-Wochenzeitung.

© dpa, Paul Zinken

Ausstellung im Märkischen Museum: Berlin 1937 - trügerische Ruhe vor dem Weg in den Abgrund

Im Märkischen Museum wurde die Ausstellung „Berlin 1937 – Im Schatten von morgen“ eröffnet. Sie soll auch für bedenkliche Signale in der Gegenwart sensibilisieren.

Am 20. September 1937 lagen dichte Rauchwolken über Berlin. Zweimotorige Bomber waren in mehreren Wellen über die Innenstadt gedröhnt, hatten in den Straßen Trümmerberge und Autowracks zurückgelassen. Schilder wiesen flüchtende Passanten zur nächsten „Luftschutz-Rettungsstelle“, Feuerwehrleute kletterten mit ihren Schläuchen haushohe Leitern hinauf, um zu retten, was noch zu retten war. An anderer Stelle reinigten sie, geschützt mit Gummianzügen und Gasmasken, die Straßen von den durch den Feind eingesetzten Chemiewaffen.

Noch war das alles Theater, die bis dahin größte Luftschutzübung in Berlin, abwiegelnde Einstimmung auf die Bombenangriffe späterer Jahre, die schon nicht so schlimm würden – man habe doch, so die Botschaft, die Lage allen Widrigkeiten zum Trotz fest im Griff.

Auf der Schreibmaschinen-Tastatur gab es plötzlich die SS-Runen

Die Station „Angsträume“ ist wohl der Teil der am Mittwoch im Märkischen Museum eröffneten Ausstellung „Berlin 1937“, in der die im Untertitel beschworenen „Schatten von morgen“ besonders dunkel über der Stadt liegen. Noch wiegte sich die Bevölkerung in Sicherheit, schien eine Art Normalität in den Alltag eingekehrt.

1936 hatte sich der NS-Staat mit den Olympischen Spielen selbst gefeiert und sich sogar gegenüber den Juden halbwegs moderat gezeigt, was sich erst 1938 durch den erzwungenen Anschluss Österreichs, die „Sudetenkrise“ und die Reichspogromnacht massiv änderte. Aber die Anzeichen für den Weg in den Abgrund waren doch schon deutlich zu erkennen, wenn man nur wollte: Etwa die ersten Schilder „Für Juden verboten“, die im August plötzlich auf Parkbänken zu lesen waren. Oder die neue Zeichenkombination, die auf den Tastaturen von Schreibmaschinen plötzlich auftauchte – die Runen der SS, auf der nun doppelt nutzbaren 5er Taste.

"Gebt mir vier Jahre Zeit", hatte Hitler 1933 getönt

Das Jahr 1937, das war eine „trügerische Ruhephase, ein Schwellenjahr, ein Jahr der Resümees“, wie Kurator Gernot Schaulinski es bei der Vorstellung der Ausstellung umschrieb. „Gebt mir vier Jahre Zeit“, so hatte Hitler 1933 in seiner ersten Rundfunkrede als Reichskanzler verlangt, und dies war auch der Titel der Ende April 1937 in Berlin eröffneten Wanderausstellung, in der die Nationalsozialisten propagandistisch Bilanz zogen und sich selbst feierten.

Es war ein Jahr, in dem der von Hitler und seinem Gefolge beschworene Geist schon tief in die Gesellschaft und ihren Alltag eingedrungen war, in der die Signale von der Mehrheit aber nicht richtig gelesen wurden, wie Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums, es umschrieb und damit zugleich die Frage verknüpfte, wie weit denn wohl heute die aktuellen Signale richtig gelesen werden. Denn das ist der Anspruch, den das Museum jetzt hat, in „Berlin 1937“ und auch künftig: Nicht nur die Vergangenheit beschwören, sondern zugleich für die Gegenwart sensibilisieren.

Gezeigt werden ausdrucksstarke Alltagsobjekte

Wenn auch Spies versichert, sich nicht sonderlich eingemischt zu haben: Es ist doch die erste Ausstellung, die unter seiner Ägide entstanden ist. Und es ist die erste, die in dem leer geräumten und neu konzipierten Untergeschoss gezeigt wird: In erstaunlich modern wirkender, dazu wiederverwendbarer Ausstellungsarchitektur und gegliedert nach fünf Oberthemen wie „Stadtbilder“ oder „Lebensbereiche“. Statt auf Überfülle hat man auf Begrenzung gesetzt, skizziert die „Schatten von morgen“ an 50 Objekten, von der Luftschutztür über die SS-Schreibmaschine bis zu einem gegen die Juden hetzenden Schaukasten des „Stürmers“, der 2015 auf dem Boden einer zum Abriss bestimmten Gaststätte in Schmöckwitz gefunden wurde – dies alles ergänzt mit Texten, Fotos, Hörstationen und Touchscreens. Die wenigsten Objekte sind spektakulär, oft sogar harmlos wie etwa ein Leitz-Aktenlocher, Utensil des ganz gewöhnlichen Büroalltags – und in diesem Fall Referenzsobjekt für die damaligen „Säuberungen“ der Amtsstuben von politisch unliebsamen Beamten.

Die in Kooperation mit dem Centrum Judaicum entstandene Ausstellung ist bis 14. Januar zu sehen. Nähere Infos, auch zum Begleitprogramm, unter www.stadtmuseum.de. Der Katalog, mehr ein Begleitbuch, kostet 18,90 Euro.

1937 stellten die Nationalsozialisten in einer Ausstellung ihre angeblichen Erfolge zur Schau. Das Motiv auf dem damaligen Plakat: Hitler.
1937 stellten die Nationalsozialisten in einer Ausstellung ihre angeblichen Erfolge zur Schau. Das Motiv auf dem damaligen Plakat: Hitler.

© iFoto:Znken/ dpa

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