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Die Wilmersdorfer 1968. Damals noch mit Straßenbahnschienen.

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Ausstellung: Scharfrichter und Straßenschlachten

Das Museum in der Villa Oppenheim zeigt die bewegte Geschichte der Wilmersdorfer Straße – von „kümmerlichen“ Anfängen bis zur Shoppingmeile.

Sie ist eine der größten Einkaufsstraßen Berlins, eine bekannte Fußgängerzone und gehört zum alten Kern Charlottenburgs. Aber die Wilmersdorfer Straße hat auch schwere Zeiten und Umbrüche hinter sich. Anfangs „fristete sie ein eher kümmerliches Dasein“, hat Birgit Jochens, Leiterin des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf, mit anderen Historikern für eine Ausstellung recherchiert. Beschäftigte des Hofes im Schloss Charlottenburg zogen lieber woanders hin. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trieben die Stadtentwicklung durch den Hobrecht-Plan und der Bau der Ringbahn die Anwohnerzahl sprunghaft hoch.

Im Norden siedelten sich auch Reiche an, im Süden am Kurfürstendamm entstanden teils aufwendige Mietshäuser in einem gutbürgerlichen Kiez. Der größere mittlere Teil wurde zur „Straße des Kleinbürgertums“, wie Jochens sagt. Handwerker eröffneten Läden, Anfang des 20. Jahrhunderts häuften sich Beschwerden über Diebstahl und Prostitution. Aber es entstand auch eine der ersten städtischen Volksbibliotheken, für die Literaturnobelpreisträger Theodor Mommsen einen Teil seines Preisgelds stiftete.

Auf die erste deutsche Pferdeeisenbahn (ab 1865) folgte 1902 die elektrische Straßenbahn, die bis in die 60er Jahre dort fuhr. Zur Fußgängerzone wurde der mittlere Abschnitt 1978. Einige Reste von Alt-Charlottenburg findet man im nördlichen Teil. Dazu gehört das kleine Haus Nummer 18, es ist das älteste erhaltene Wohngebäude und stammt aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Zu den Traditionsbetrieben zählt seit rund 80 Jahren die Fisch- und Feinkosthandlung Rogacki. Auch mittelständische Juweliere sowie Modelleisenbahn-, Modellbau- und Spielzeugläden behaupten sich im Norden. Die neue Ausstellung stellt zudem die urige und seit 1892 bestehende „Alt-Berliner Destille Wilhelm Hoeck“ vor.

Zu den prominenten Anwohnern zählten Wilhelmine Gräfin von Lichtenau, die Mätresse und Vertraute des preußischen Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelms II., der Komponist und Dirigent Leo Blech und der Schriftsteller Robert Walser. Museumschefin Jochens fand heraus, dass auch Franz Kafka und Albert Einstein in der Straße gewohnt haben – aber nur für ein paar Tage bis Wochen. Die Wilmersdorfer Straße 13 war die Adresse von Julius Krautz, Deutschlands erstem und berühmtestem professionellen Scharfrichter. Gewalt und Blutvergießen gehörten auch in der Weimarer Zeit durch Straßenschlachten zwischen Kommunisten und Rechtsradikalen zum Alltag. In der Nazizeit folgten Zwangsarbeit und Judenverfolgung.

In der Fußgängerzone prägen das Karstadt-Warenhaus, das Kant-Center und das Einkaufszentrum Wilmersdorfer Arkaden das Bild. Die Straße ist weder eine Luxus- noch eine Ramschmeile. Stars und Sensationen gab es auch früher selten. Eine Attraktion war das Vergnügungszentrum Flora mit dem größten Veranstaltungssaal Deutschlands, es ging Anfang des 20. Jahrhunderts pleite. Zeitweilig gab es zehn Kinos, heute dagegen existieren nur noch die nahen Kant-Kinos in der Kantstraße.

„Die Wilmersdorfer – Geschichte der Straße“ im Museum Charlottenburg-Wilmersdorf, Villa Oppenheim, Schlossstraße 55, bis 30. Juni 2013, Di–Fr 10–17 Uhr, Sa und So 11–17 Uhr, Eintritt frei, im Netz unter: www.villa-oppenheim-berlin.de

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