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Analoge Zeiten: Früher kamen Autoknacker mit dem Brecheisen. Heute bevorzugen sie eher das Laptop. Foto: Diana Pfister/dpa

© dpa/ Diana Pfister

Autodiebstahl in Berlin und Brandenburg: Die Tricks der Autodiebe - der Plan der Fahnder

Gemeinsam mit osteuropäischen Kollegen will die Polizei noch effektiver gegen Autodiebe vorgehen. Die arbeiten hochprofessionell, mit effektiver Arbeitsteilung und immer neuen technischen Tricks.

Sie sind perfekt organisiert und gehen streng arbeitsteilig vor. Sie beherrschen raffinierte digitale Techniken, um Kfz-Wegfahrsperren zu überwinden und bekommen ihre Aufträge aus Zentralen in Osteuropa, die nur ganz wenige der Täter kennen: Grenzüberschreitende Autoschieberbanden fordern die Polizei in Berlin und Brandenburg seit vielen Jahren auf besondere Weise heraus. Um ihnen auf die Spur zu kommen, müssen die Ermittler international eng zusammenarbeiten.

Diese Kooperation soll nun im Rahmen eines neuen Projektes weiter verbessert werden. Es heißt „Limes“, benannt nach dem einstigen römischen Grenzwall. Die Landeskriminalämter von Berlin, Brandenburg sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt streben dabei einen „wirksamen Schulterschluss mit unseren Kollegen in Polen, Tschechien, sowie den Baltischen Staaten“ an.

Aus diesen Ländern kommen die meisten Täter, dort sitzen die Chefs der überwiegend russischsprachigen organisierten Kriminalität. Sie entwenden Pkws, Kleintransporter und Lkws vor allem in Berlin und Brandenburg, fahren mit ihrer Beute über die Grenzen nach Osteuropa und übergeben die Fahrzeuge dort komplett oder in Einzelteile zerlegt zum Verkauf an Hehler.

6690 Auto- und Lkw-Diebstähle in Berlin

Wie stark gerade die Grenzregion zu Polen von diesen Umtrieben betroffen ist, macht der Chef der Abteilung „schwere grenzüberschreitende Eigentumsdelikte“ im Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg, Frank Adelsberger, mit einem Vergleich deutlich: In Brandenburg wurden 2015 rund 2500 Pkws und Lkws entwendet, in Berlin waren es im selben Jahr sogar 6690. Drei Viertel der ermittelten Tatverdächtigen sind Nichtdeutsche. In ganz Österreich registrierte die Polizei 2015 hingegen nur 1855 Kraftfahrzeug-Diebstähle.

Die „Dringlichkeit grenzüberschreitender Ermittlungsgruppen“ zeigt auch ein Erfolg der Brandenburger und polnischen Kriminalpolizei vom vergangenen Jahr. Nach langwierigen Recherchen gelang es den Beamten, führende Mitglieder einer Autoschieberbande mit Sitz in Gorzow in Westpolen festzunehmen. Diese hatte seit 2014 rund 90 Mercedes-Kleintransporter des Modells „Sprinter“ zumeist in Brandenburg und Berlin geknackt und über die Grenze gebracht. Etwa 30 Sprinter wurden dort verkauft, die restlichen zerlegten die Täter in versteckten Werkstätten in Einzelteile und boten diese dann Hehlern an. Drei dieser Werkstätten konnte die Polizei bei Razzien ausheben.

Zusammenarbeit mit Kollegen aus Osteuropa wird intensiviert

Am Freitag kamen nun erstmals leitende Ermittler aus den vier am Projekt „Limes“ beteiligten Bundesländern zusammen, um ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Geplant ist ein runder Tisch mit Kollegen aus Osteuropa, die sich gleichfalls um die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität kümmern. Bei insgesamt zehn solcher Treffen sollen Strategien entwickelt werden, „um die Suche nach den Tätern zu perfektionieren“. Es gehe darum, „die Strukturen der Banden zu ermitteln und ihre informativen Wege zu verstehen“, sagt der Leiter des Dezernates Organisierte Kriminalität im LKA Berlin, Dirk Jacob. Den Aufbau dieses noch engmaschigeren Netzwerks der Ermittler fördert die Europäische Union (EU) mit rund 500.000 Euro.

Entgegen einem landläufigen Glauben knacken die Banden keineswegs nur hochwertige Wagen. „Die stehlen alles“, sagt Jacob. Auch die Ersatzteile älterer gebrauchter Autos seien auf dem schwarzen Kfz-Markt durchaus begehrt. Oft werden die Wagen nachts in der Grenzregion gestohlen und bereits in den Folgestunden nach Polen überführt. Die Arbeitsteilung der mafiösen Gruppen sieht dabei so aus: Die Chefs geben Bestellungen auf, Späher forsten die Märkte für Gebrauchtwagen im Internet durch und ermitteln die Standorte passender dort angebotener Pkws und Kleintransporter.

Internationale Schulterschluss der Ermittler "geradezu zwingend"

Losgeschickte Diebe knacken dann die Autos mit sogenannten „digitalen Entwendungstools“. Diese illegal entwickelten Geräte können der Wegfahrsperre eines Autos vortäuschen, dass der Besitzer es öffnen will. Gelingt der Bruch, machen sich die Diebe auf den Weg zur Grenze, oft schicken sie dabei eine Vorhut voraus, die mögliche Polizeikontrollen auskundschaftet. Wird tatsächlich kontrolliert, ändern die Fahrer des Beutewagens sofort ihre Route. So funktioniert der organisierte Kfz-Diebstahl mit Hilfe einer ausgetüftelten Kette von Drahtziehern, Elektronikspezialisten, Kundschaftern, Kraftfahrzeug-Zerlegern, Lagerhaltern, Zwischenhändlern und Verwertern. „Wobei der einzelne Täter oft nur wenige andere Gruppenmitglieder kennt“, erklärt LKA-Mann Dirk Jacob.

Da die Autoschieberbanden streng hierarchisch aufgebaut sind, ist der internationale Schulterschluss der Ermittler „geradezu zwingend“, sagt Jacob. „Sonst kommen wir an die Hintermänner in Polen und anderen osteuropäischen Staaten ja gar nicht ran.“

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