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Berlin: Autopilot

Radfahrer sollen bald per Telefon-App Falschparker bei der Polizei anzeigen können.

Eines wissen Radfahrer ganz genau. Polizei und Ordnungsamt sind nie da, wenn Falschparker Radwege und Extraspuren zuparken. Die Rache für diese Behinderungen könnte bald per App folgen. Einige technikbegeisterte Berliner Radfahrer wollen ein Programm für Smartphones entwickeln, das Rüpelparker dokumentieren, ermahnen und sogar blitzschnell bei der Polizei anzeigen soll.

Ob die Idee von Heinrich Strößenreuther und seinen Freunden zu mehr Frieden auf der Straße führt, darf eher bezweifelt werden. Zumal das „Ermahnen“ eines Autofahrers nur möglich ist, wenn sich der Halter bei der App zuvor registriert hat – was eher unwahrscheinlich ist. Bleibt die Anzeige bei der Polizei, die entnervten Radfahrern womöglich Genugtuung verschaffen könnte. Die App soll jedenfalls „Straßensheriff“ heißen – schon der Name spaltet die Radlerszene im Internet. Die einen erinnert es an Blockwart-Zeiten, andere kommentieren erleichtert: „Na endlich!“

Die App nimmt ein Foto auf, verbindet dieses mit GPS-Daten der entsprechenden Position und sendet diese zusammen mit den Absenderdaten an Polizei oder Ordnungsamt. Soweit die Idee, deren Realisierung heutzutage kaum ein Problem darstellt – technisch gesehen.

Initiator Strößenreuther ist sich bewusst, dass seine Idee das Klima zwischen Auto- und Radfahrern nicht unbedingt vebessern wird. „Das ist keine Konsensveranstaltung“, sagt er. „Natürlich wird es Autofahrer geben, die sich darüber ärgern. Aber es geht vor allem darum, die Radfahrer zu unterstützen.“ Die Verkehrsflächen in allen Städten seien ungleich zugunsten der Autofahrer verteilt. Wenn diese sich das Recht nähmen, die verhältnismäßig kleinen Flächen, die für Radfahrer vorgesehen seien, auch noch zu beanspruchen, müssten sich die Radler wehren. Verschlechtern lasse sich das Klima ohnehin kaum mehr.

Offen ist, wie Berlins Behörden reagieren werden.  Eine rechtliche Prüfung steht noch aus. Im Polizeipräsidium wurde am Freitag allerdings an das Urteil gegen „Knöllchen-Horst“ erinnert. Der mittlerweile bundesweit bekannte Frührentner aus Osterode soll bereits 30 000 Anzeigen vor allem gegen Falschparker geschrieben haben. Als sich die Behörden weigerten, all die Anzeigen zu bearbeiten, zeigte Horst Nilges die Behörden selbst an. Und blitzte ab: Vor zwei Wochen stellte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg fest, Nilges gehe einer „denunziatorischen Tätigkeit“ nach und könne die Behörden nicht zwingen, die von ihm aufgezeichneten, angeblichen Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen, wie es in dem Beschluss heißt.

Auch in Berlin darf jeder Mensch Falschparker anzeigen: entweder persönlich auf dem Abschnitt, schriftlich oder über die Internetwache; dort kann man online eine Anzeige stellen. Erforderlich sind dafür genauer Ort und Zeit sowie das Kennzeichen des Wagens. Sinnvoll seien die Nennung eines Zeugen und auch ein Foto. Eine App könnte auf diese Bürokratie verzichten.

Der ehemalige Bahnmanager Strößenreuther ist seit vielen Jahren im Bereich Verkehr unterwegs. Für die Stadt Hamburg hat er an Konzepten zur Reduzierung der CO2-Emissionen mitgearbeitet. Dafür sollen vor allem das Autofahren in Innenstädten unattraktiv gemacht und frei werdende Flächen für Radfahrer umgewidmet werden. Schon deshalb sei Parken auf dem Radweg kein Gentlemen-Delikt, findet Strößenreuther. Auch mit den Berliner Ordnungsämtern hat der Initiator der App „Straßensheriff“ nach eigenen Angaben schon Kontakt aufgenommen. Mündlichen Zusagen zur Kooperation sollen bald auch schriftliche Vereinbarungen folgen.

Autofahrer will Strößenreuther mit einem Trick zur Registrierung für die App locken. Mit dieser bekämen Falschparker vor der Anzeige vielleicht noch einen Hinweis auf ihr Vergehen. Derzeit sammelt Strößenreuther über eine Crowdfunding-Plattform Geld ein. Nach einer Woche sind schon acht Prozent des Kapitals gesammelt. „Das ist eine Art Volksabstimmung über das Projekt“, meint Strößenreuther. Er ist optimistisch, mithilfe der Medien Aufmerksamkeit zu bekommen. So könnte es für Falschparker bald deutlich teurer werden. Denn wenn sich der Straßensheriff erst auf vielen Smartphones befindet, dann ist der Weg zur Anzeige nur noch zwei, drei Klicks entfernt.Markus Mechnich / Jörn Hasselmann

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