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Martenstein

© Tsp

Autozündler: Auf Leben und Tod

Im Jahre 2009 wurden in Berlin etwa 300 Autos angezündet. Diese Zahl fehlte in kaum einem Jahresrückblick der Zeitungen und Magazine, meist mit dem ergänzenden Hinweis, dass in Berlin "nicht etwa nur Luxuskarossen", sondern "auch Mazdas" angezündet werden. Was die Stadt Detroit einst für die Autoproduktion bedeutete, das ist eben heute die Stadt Berlin auf dem Sektor des Autoverbrennens.

Bei der Silvesterparty führte ich dazu folgenden Dialog.

Ich: „Interessant finde ich, dass vor ein paar Jahren Rechte ziemlich häufig, also zumindest einige Male, sogenannte Asylantenheime angezündet haben, während heute Linke sogenannte Luxuskarossen anzünden, wobei beide Gruppen für ihre Taten das gleiche Motiv anführen. Die Rechten sagten, dass ein Stadtviertel durch Ausländer überfremdet wird, die Kriminalität würde steigen. Die Linken sagen, dass ein Stadtviertel durch Leute mit gehobenem Einkommen überfremdet wird, die Mieten würden steigen. In beiden Fällen greift man zur Waffe des Feuers, wahrscheinlich, ohne zu ahnen, dass man damit in einer historischen Tradition steht, von den Scheiterhaufen über die Bücherverbrennungen bis zu den brennenden Kreuzen des Ku-Klux-Klan.“

Der andere: „Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Wer ein Ausländerwohnheim anzündet, der nimmt den Tod von Menschen zumindest in Kauf, bei einem parkenden Auto ist dies nicht der Fall.“

Ich: „Sie haben recht. Das Motiv ist zwar auffallend gleich, Angst vor Veränderung, und das Mittel ist auffallend gleich, Feuer, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es Tote gibt, ist bei der linken Variante geringer. Das ändert alles. Wenn Linke zum Beispiel ein Asylantenwohnheim anzünden würden – das ist nur ein Gedankenspiel, verstehen Sie, nehmen Sie einfach an, es sind besserverdienende Asylanten –, dann würde die Menschenmenge natürlich mit Lautsprechern die besserverdienenden Asylanten zum Verlassen ihres Heimes auffordern, damit niemandem etwas passiert. Erst dann würde man das leer stehende Haus mit den Habseligkeiten der Asylanten darin nach allen Regeln der Kunst niederbrennen. Die Linke ist eben viel humanistischer.“

Der andere: „Die Behauptung der Nazis, dass Ausländer die Kriminalitätsrate steigen lassen, ist sachlich falsch. Der Zuzug von Wohlhabenden in ein Stadtviertel dagegen lässt die Mieten tatsächlich steigen.“

Ich: „Verstehe ich richtig? Es müsste Ihnen also nur jemand zweifelsfrei nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen einer hohen Ausländerquote und sozialen Problemen gibt, und schon stünden Sie als Linker dem Niederbrennen von Ausländerwohnheimen vielleicht nicht zustimmend, aber doch mit einem gewissen Grundverständnis gegenüber. Vorausgesetzt, es kommt niemand zu Tode.“

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