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Berlin: Babys beleben das Geschäft

Die hohe Geburtenrate in Prenzlauer Berg hat einen kleinen Wirtschaftsaufschwung bewirkt

Der Babyboom in Prenzlauer Berg verändert die Wirtschaftsstruktur des Bezirks. Seit die Reproduktionsrate im Prenzlauer Berg signifikant nach oben geschnellt ist – sie liegt gegenwärtig bei 2,1 Geburten pro Frau im gebärfähigen Alter statt bundesweit 1,4 – entdecken immer mehr Geschäftsleute die junge Familie als ökonomisches Zielobjekt. Kaum ein Klempner kommt hier inzwischen ohne Schwimmflügel im Schaufenster aus. Kaum ein Bäcker ohne Kita-Schrippe, selbst die Auto-Zubehör-Läden, sonst eine klassische Domäne der Männerwelt, stellen Kindersitze und Sonnenschutzrollos für die Kleinsten in ihre Auslagen. Schöne neue Kinderwelt. Christine Keil (PDS), Bezirksstadträtin für Jugend, Schule und Sport, bemüht die Statistik, um den Babyboom im Norden Berlins zu erklären. Jeder zweite Bewohner von Prenzlauer Berg sei zwischen 21 und 40 Jahre alt: „Das ideale Alter zum Kinderkriegen.“ Zwischen Dezember 1996 und Juni 2004 ist die Zahl der unter Dreijährigen von 3000 auf 4000 gestiegen. Damit erhöhte sich der Anteil der Kleinkinder an der Gesamtbevölkerung in Prenzlauer Berg um ein Prozent auf nun drei Prozent. „Das klingt nicht viel, ist aber angesichts der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung sehr bemerkenswert.“

Der Kindersegen macht sich auch wirtschaftlich bemerkbar. Die neue Elternschaft in Prenzlauer Berg besteht, wie aus dem jüngst vom Senat herausgegebenen „Sozialstrukturatlas“ hervorgeht, aus durchschnittlich kaufkräftigen, sehr gebildeten und stilbewussten jungen Leuten. Entsprechend groß ist die wirtschaftliche Dynamik, wie Wilfried Moepert von der Wirtschaftsförderung Pankow berichtet. Der Babyboom habe einen regelrechten Aufschwung bewirkt. Heute gibt es in Prenzlauer Berg 174 Geschäfte, die auf Kinder spezialisiert sind – dreimal so viele wie 1999. Und doppelt so viele Kinder-Secondhandläden wie 1996.

Auch etablierte Geschäfte stellen sich auf Familien ein. So hat etwa das indische Restaurant „Gandhi“ in der Raumerstraße fast den gesamten Schankraum in ein Kletterparadies verwandelt. Positiv wirkt sich der Kinderboom auch auf die Nachfrage nach biologischen Lebensmitteln aus. Das Angebot hat sich der Nachfrage angepasst, sichtbar durch zwei neue Bio-Supermärkte und einen neuen Wochenmarkt mit gemischtem Angebot. Insgesamt gibt es jetzt 23 Bioläden im Bezirk. Peter Jüdel, der in der Danziger Straße ein Geschäft für Kinderschuhe betreibt, verzeichnete in den letzten vier Jahren einen jährlichen Umsatzzuwachs von bis zu zehn Prozent. Steffen Messedat, Inhaber eines Spielzeugladens in den „Schönhauser Allee Arcaden“, konnte wegen der gestiegenen Nachfrage sogar zwei neue Arbeitsplätze schaffen: „Das ist absolut gegen den Branchentrend, was hier läuft“, freut sich der Kaufmann.

Noch ist die Betreuung der Kinder in Prenzlauer Berg gesichert. Das Angebot an Ganztags-Kitaplätzen sei mit einem Versorgungsgrad von 79 Prozent sehr gut, sagt Bezirksstadträtin Keil. Die Schulen seien ausgelastet. In drei Jahren kommt auf die Schulen jedoch ein erster Höhepunkt der Babyboomer-Welle zu. Dann könnte es eng werden.

Jörg Kühl

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