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Wanderer zwischen den Welten. Iskandar Widjaja begeistert mit seiner Geige Zuhörer in vielen Ländern.

© promo/ Teddy Lim

Bach für Kopf und Herz: Der Berliner Violinist Iskandar Widjaja musiziert zwischen Welten

Der Berliner Sohn indonesischer Eltern begeistert mit seinem Geigenspiel Zuhörer in Asien und Europa. Neuerdings komponiert er auch.

Mit der Trennung von E- und U-Musik – ernste Musik und Unterhaltungsmusik – kann Iskandar Widjaja nicht viel anfangen. „Man muss sich doch nur mal die privaten Playlists anschauen“, sagt er. In seinem Freundeskreis jedenfalls sei darauf alles vertreten.

Welche Musik jemand höre, hänge allein vom Ort, von der Stimmung, vom Moment ab. Der Soloviolinist ist vor 36 Jahren als Kind indonesischer Eltern in Charlottenburg zur Welt gekommen. Seine Mutter, eine Klavierlehrerin, war fasziniert von der deutschen Kultur, hat sich hier immer zu Hause gefühlt. Der Vater war zum Architekturstudium gekommen.

Früh gefördert durch die Mutter

Die Mutter hat sein musikalisches Talent schon früh gefördert. Dass die Geige sein Instrument werden würde, hat Widjaja allerdings im Alter von vier Jahren selbst entschieden.

Damit er in seiner Umgebung voll integriert ist, hat die Mutter mit ihm konsequent Deutsch gesprochen. Deshalb nimmt er derzeit noch Unterricht, um die Sprache ihrer Heimat zu lernen. In Indonesien ist er schon länger ein Star. Entsprechend viele öffentliche Auftritte muss er absolvieren.

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Jahre alt war Iskandar Widjaja, als er sich für sein Instrument entschied.

Demnächst geht er dort mit „Iskandar – The Show“ auf Tournee. Da gibt es nicht nur die großen Bs (Bach, Beethoven, Brahms) zu hören, sondern auch eigene Kompositionen, dazu kommen eine LED-Show und Live-Tänzer.

Gelernt mit der Suzuki-Methode

Bevor es nächste Woche losgeht, tritt er noch in Potsdam auf und spielt am Sonntag um 16 Uhr im Kühlhaus in Berlin Bach und Vivaldi mit Freunden. Das Geigenspiel hat er mit der japanischen Suzuki-Methode erlernt, intuitiv über das Gehör.

Sein erstes Erfolgserlebnis hatte er als Kind in Italien, als der Bürgermeister eines kleinen Ortes ihm begeistert die Hand geschüttelt hat. Das Musikstudium, zu dem auch eine Gesangsausbildung gehörte, hat er dann in Berlin absolviert. „Die Studenten kommen aus der ganzen Welt hierher“, sagt er.

Johann Sebastian Bach ist meine Religion.

Iskandar Widjaja

Von 200 Bewerbern fürs Geigenfach würden allenfalls zwei oder drei genommen. Kostbare alte Instrumente stellen Sammler ihm für die Auftritte zur Verfügung, darunter eine Stradivari von 1690. 

Die indonesische Seite der Familie ist ebenfalls größtenteils der Musik verpflichtet, die Kompositionen des Großvaters Udin Widjaja sind berühmt, der Onkel ist Dirigent, die Tante Balletttänzerin. Die stille Zeit der Pandemie hat auch Iskandar Widjaja Gelegenheit gegeben, sich auf eigene Kompositionen zu konzentrieren.

Der Zen-Meister auf dem Techno-Festival

Gegen Ende des Jahres will er gemeinsam mit einem Zen-Meister, den er in der Nähe von Berlin auf einem Techno-Festival kennengelernt hat, eine CD herausbringen „Bach und Zen“ soll sie heißen. „Johann Sebastian Bach ist meine Religion“, sagt er. „Seine Musik hat die perfekte Balance zwischen Intellekt und Herz.“

Erstrahlende Noten

Dieser Komponist ist es auch, dem er gern mal begegnen würde. Seiner Musik müsse man nichts hinzufügen, man müsse sie nicht mal interpretieren, weil sie ganz von allein erstrahle. Johann Sebastian Bach würde er gerne fragen, wenn das ginge, wie er selbst seine Musik hört, woher er seine Kraft nimmt.

In Deutschland müsse man als klassischer Künstler aufpassen, nicht in die Show-Ecke abgeschoben zu werden. Das weiß Widjaja. Dabei schöpft er so gern aus dem Vollen. Als Kind hat er viel gesungen, zusammen mit der Mutter. Aber in Deutschland seien Volkslieder nicht so präsent.

Musikalisch und modisch offen

In Indonesien gebe es hingegen einen großen Nationalstolz, was die Lieder betrifft. Mit der traditionellen indonesischen Volksmusik hat er sich im Rahmen eines Auftrags schon intensiver auseinandergesetzt. Die musikalische Offenheit spiegelt sich in seiner Kleidung wider.

Auch da hat er keine Berührungsängste, egal ob es um traditionelle indonesische Kleidung geht oder er einfach nur einen auffälligen Türkisstein aus der elterlichen Heimat als Kette um den Hals trägt, ob er ganz im elfenbeinfarbenen Outfit auftritt oder in leuchtendem Pink. Anders als viele andere Solisten nutzt Iskandar Widjaja die Freiheit, modisch über das weiße Hemd zum Frack hinauszuwachsen.

Glamour und Disziplin

Wobei man bei aller Lust auf Glamour, bei seiner Freude daran, auch als Gast in indonesischen Talkshows aufzutreten, die künstlerische Disziplin nicht übersehen sollte. Um die technische Perfektion zu erreichen und zu erhalten, die ihm die Zusammenarbeit mit berühmten Dirigenten ermöglicht, muss er vor Konzerten bis zu acht Stunden täglich üben.

Natürlich ist er auch in den sozialen Medien präsent, besonders auf Youtube, weil da die Nutzer länger zuhören als auf Instagram oder Tiktok. Er ist schon in China, Japan, Myanmar, Kambodscha, Singapur und vielen anderen Ländern aufgetreten, gerne spielt er in der Türkei.

Besonders die Zusammenarbeit mit dem türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say hat ihn inspiriert, der ebenfalls offen ist für musikalische Einflüsse jenseits der Klassik, Jazz zum Beispiel oder anatolische Volksmusik. Unter anderem hat Widjaja Says Komposition „1001 Nights in the Harem“ in sein Repertoire aufgenommen.

Bei all den Auftritten, die Iskandar Widjaja schon hinter sich gebracht hat, gebe es nur eine Sache, die seine Konzentration gefährden könne: „Wenn meine Mutter in der ersten Reihe sitzt. Dann bitte ich sie, lieber weiter nach hinten zu gehen.“

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