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Berlin: Bank-Desaster: Keiner soll geschont werden

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager und Wirtschaftsprüfer / Warnungen vor Milliardenrisiken unterdrückt

Von B. Junge, S. Kneist

und U. Zawatka-Gerlach

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Bankenaffäre will den Wirtschaftsprüfer Achim Walther zu seiner nächsten Sitzung laden. Walther hatte bereits 1997 festgestellt, dass die Immobilienfonds der Banktochter IBG hohe Finanzrisiken enthalten. Dieser Bericht wurde erst jetzt bekannt. Die Mitglieder des Untersuchungsgremiums erfuhren im März von dessen Existenz. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bestätigte, im Dezember 2001 einen Brief Walthers erhalten zu haben. Diesen habe er an die damalige Finanzsenatorin Krajewski (SPD) weitergeleitet.

Dort ist der Brief offenbar versackt. „Er wurde zur Kenntnis genommen und liegt in den Akten. Ob und wer sich damit beschäftigt hat, konnte bisher nicht rekonstruiert werden“, sagte ein Sprecher der Finanzverwaltung. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sei über den Vorgang nie informiert worden. Wowereit bestätigte, dass sowohl dem Aufsichtsgremium der Bankgesellschaft als auch der Staatsanwaltschaft Walthers Gutachten inzwischen vorlägen. Die Ermittler hätten das Schriftstück bei der Bank gefunden. Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen gegen die Wirtschaftsprüfergesellschaft BDO führt.

Die Bankgesellschaft prüfe, wie weit sie zivilrechtlich Ansprüche geltend machen kann. „Es gibt keinen Grund, irgendjemanden zu schonen“, sagte Wowereit. Wenn bei der Testierung der IBG-Bilanzen bewusst ein Gutachten unterdrückt worden sei, müsse mit aller Härte zivil- und strafrechtlich vorgegangen werden. „Ich erwarte auch von der Bankgesellschaft, dass sie radikal gegen jene vorgeht, die Schuld haben an diesem Desaster.“

Der Aufsichtsrat der Landesbank Berlin (LBB) und dessen Arbeitsausschuss wurden über die Finanzrisiken der IBG offenbar systematisch fehlinformiert. Das Problem stand mehrfach auf der Tagesordnung. „Ich erinnere mich gut, dass im Aufsichtsrat nach der Risikoentwicklung und dem daraus folgenden Rückstellungsbedarf gefragt wurde“, sagte der damalige Finanz-Staatssekretär Peter Kurth (CDU). Denn die Auflage von Immobilienfonds mit ungewöhnlich hoher Risikoabsicherung für die Fondszeichner habe „in der Branche erhebliche Unruhe ausgelöst.“ Das Thema sei vom Aufsichtsrat an dessen Arbeitsausschuss delegiert worden, der aber zu keinen neuen Erkenntnissen gelangt sei.

Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und Hartmann Kleiner, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), bestätigten diese Darstellung. 1999 habe der LBB-Aufsichtsrat intensiv über die Risiken der Immobilienfonds diskutiert, berichtete die SPD-Politikerin. Was sich in der IBG damals abgespielt habe, habe sich ihrer Kenntnis entzogen. „Die waren völlig abgeschottet; das war doch das Problem.“ Kleiner war damals Vorsitzender des Aufsichtsrat-Ausschusses der Landesbank. „Zunächst kamen Zweifel auf, ob die geschlossenen Immobilienfonds steuerliche Anerkennung finden würden.“ Diese Zweifel habe der Aufsichtsrat sehr ernst genommen, aber das zuständige Finanzamt für Körperschaftssteuer habe die steuerliche Unbedenklichkeit attestiert.

1999 sei die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO gefragt worden, „ob die Risiken der Immobilienfonds in den Geschäftsjahren 1996 bis 1999 in den Bilanzen korrekt abgebildet wurden“, sagte Kleiner. Sorge und Unglaube habe in den Aufsichtsgremien geherrscht. Immer wieder seien Zweifel aufgeflackert und die BDO-Wirtschaftsprüfer seien sogar persönlich zum Vortrag geladen worden. „Aber die Prüfer versicherten jedesmal: die Rückstellungen reichen aus“, so Kleiner.

Von dem jetzt bekannt gewordenen Sondergutachten des Wirtschaftsprüfers Walther wusste Kleiner nichts. Auch Kurth wurde nie informiert. Eberhard Diepgen erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass er ausschließen könne, bereits im Jahre 1997 von durch Wirtschaftsprüfer Walther festgestellten Risiken erfahren zu haben. Die Opposition forderte gestern schonungslose Aufklärung. Ohne Ansehen von Amt und Person müsse gegen die Verantwortlichen des Skandals, auch gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, ermittelt und Schadensersatzforderungen geprüft werden, forderte CDU-Fraktionschef Frank Steffel.

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