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Immer gut für Faxen: Moderatorin Anke Engelke und Schauspieler Bill Murray bei der Abschlussgala der Berlinale.

© Tobias Schwarz/AFP

Berlinale 2018: Bärenstarke Party-Nacht

Im Spiegelzelt feierten die Gewinner die traditionelle Bärenparty. Die Jury zog es bald ins „Crackers“.

Wenn Bill Murray durch das Spiegelzelt schreitet, heben sich unwillkürlich die Köpfe. Nachdem er den Bären für „Isle of Dogs“ entgegen genommen hat, hält es ihn nicht am Tisch in seiner Nische. Mal strebt er hierhin zum Small Talk, mal beobachtet zusammen mit Gastgeber Dieter Kosslick das jubilierende Tafeln vom Rande her. Erst als Anke Engelke an seinem Tisch Platz genommen hat, wird er sesshafter und widmet sich mit sichtlichem Appetit der Hauptspeise, einem lauwarmen, saftig zarten Lüneburger Saibling mit glasiertem Gemüse, Sellerie-Kartoffelcreme, Polenta und scharfem gehobelten Meerrettich. Für die lange Partynacht hat die Moderatorin ihr raffiniert geschlitztes schwarzes Abendhosenkleid, das sie zur abendlichen Abschlussgala getragen hatte, gegen ein nicht weniger interessant drapiertes taubenblaues kurzes Kleid vertauscht.

Bill Murray kam eigens aus Mailand

Zehn Tage lang hat die Berlinale weit über die Stadt hinaus für das Kino geworben, hat Appetit gemacht auf neue Filme. Kein Wunder, dass die ausgelassene Feier der Gewinner im Zelt am Gropiusbau zur attraktivsten Adresse der Nacht wird. Nicht alle, die hier versammelt sind, zelebrieren den Abschied vom Festival so cool und gelassen wie Bill Murray, der eigens aus Mailand angereist ist. Immer wieder brandet Jubel auf, fallen sich Menschen in die Arme. Das Team des Gewinnerfilms „Las Herederas“ aus Paraguay lässt den silbernen Bären auch beim Essen gar nicht mehr aus der Hand, er kreist immer wieder neu um den Tisch herum.

Regisseurin Adina Pintilie (li.) and Schauspielerin Laura Benson mit dem Goldenen Bären.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Es geht schon auf Mitternacht, da tritt in langer weißer Robe Ana Ivanova, die schöne, große paraguayische Schauspielerin, an den Tisch, an dem Berlinale-Chef Dieter Kosslick gerade Platz genommen hat, und dankt ihm filmreif mit südamerikanischem Feuer: „Wissen Sie, dass Sie das Universum bewegen?“ So vieles müsse sich ändern in ihrem Land, und die Aufmerksamkeit für diesen Film leiste einen ganz großen Beitrag dazu. Offenbar ist die Tatsache, dass Paraguay zum ersten Mal einen Film im Wettbewerb hatte, in dem südamerikanischen Land gerade Nationalgespräch, und wenn sich erst herum spricht, dass der auch noch einen Silbernen Bären heimbringt ... Ana Ivanova war es auch, die sich bei der Eröffnung laut über einen der typischen Kosslick-Witze freute und so signalisierte, dass sie ihn verstanden hat.
Etwas stiller freute sich Laura Benson, die Hauptdarstellerin des Überraschungssiegers „Touch me not“, den die Kritiker so gar nicht auf dem Schirm hatten. Nachdem der Streifen gerade als letzter im Berlinale-Palast gezeigt wurde, verblüfft es zu sehen, dass das trostlos versteinerte Gesicht auf der Leinwand plötzlich zu dieser schönen, glücklich wirkenden, angeregt plaudernden Frau gehören soll. Eine Nahaufnahme für die Wunder der Filmkunst. Ihr Mitspieler Christian Bayerlein hat die Berlinale-Blumen derweil in dem Netz an seinem Rollstuhl verstaut. Das Bären-Dinner ist auch ein großes Gemeinschaftserlebnis.

Die Sexclub-Szenen entstanden in Wedding

Dieter Kosslick rechnet natürlich damit, dass es Diskussionen über den Sieger geben wird, aber das kann seine gute Laune nicht trüben. Er achtet die Entscheidung der unabhängigen Jury ebenso wie die Kritikerbeiträge. Die Crews halten ihn derweil auch über Details auf dem Laufenden. Er weiß sogar, dass die Sexclub-Szenen in Wedding aufgenommen wurden. In dieser Nacht freut er sich auf seinen letzten Einsatz auf dem Roten Teppich der 68. Berlinale. Endlich Selfies mit den ganz normalen Zuschauern, die zum Erfolg des Festivals doch einen riesigen Beitrag leisten. Danach kommt dann die jährliche Fastenkur, um die Spuren der zehn Portionen Kässpätzle zu beseitigen, die er sich am Street Food Stand gegönnt hat. Da gibt es dann nicht mal veganes, sondern schlicht gar kein Essen. Vorher muss hier noch jemand getröstet, da ein besonderer Gast verabschiedet werden. Und immer wieder brandet Applaus auf, wenn neue Gewinner einmarschieren. Deren persönliche Betreuer unterhalten sich derweil im Eingangsbereich. Jedes Jahr kommen sie aus verschiedenen Ländern zu den Filmfestspielen zusammen. Der Bedarf wird immer größer, da die Schauspieler immer flexibler werden müssen. Nach dem mitternächtlichen Dessert, Schokoladentorte mit Rotwein-Butter-Eis, Orange und Knickebein, applaudieren die Bären-Gewinner dann ihrerseits Florian Glauert, dem Küchenchef des „Duke“. Mit dem Limousinen-Shuttle geht es für manche weiter zum „Crackers“, wo die Berlinale-Gäste feiern, die gerade keinen Bären gewonnen haben. Hier freuen sich am frühen Sonntag morgen auch Jurypräsident Tom Tykwer und Mitstreiter über das „Happy End“ der Berlinale. Mag auch nicht jeder Zuschauer den Film ihrer Wahl bis zum Abspann aushalten, die Diskussionen, die sie mit ihrem Überraschungscoup auslösen, können der Anziehungskraft des Kinos schließlich auch nicht schaden.

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