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Berlin: Bau des Großflughafens: Mittelstand fast ohne Chancen

Wirtschaftssenator Wolf: Die Hürden bei der Auftragsvergabe sind für kleinere Betriebe zu hoch

Berlin/Potsdam – Harte Kritik an der Auftragsvergabe für den neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) übt Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei/PDS). Die Hürden für kleine und mittlere Firmen der Region seien zu hoch, das Auftragsvergabeverfahren für den Mittelstand zu bürokratisch, sagte der Senator dem Tagesspiegel. Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) sagte, dass er die Situation auf der Flughafen-Baustelle „sehr aufmerksam“ beobachte: „Ich werde persönlich darauf achten, dass die regionalen Baufirmen, Planer, Dienstleister und Zulieferer davon profitieren“.

Der Minister wird gut zu tun bekommen. Denn entgegen der Mittelstandsklausel, die in jedem Vertrag zur Auftragsvergabe enthalten ist, wird der regionale Mittelstand bisher kaum an dem Milliarden-Großprojekt beteiligt, kritisiert Rechtsanwalt Ralf Heuer von der Cottbuser Spezialkanzlei für Baurecht, Rechtsanwälte Börgers. „Der Großflughafen ist vor allem eine Angelegenheit für Unternehmen der Größenordnung von Hochtief oder Bilfinger und Berger. Der Mittelstand wird dort direkt kaum zum Zuge kommen.“, sagt Heuer.

Eine Einschätzung, die man am Flughafen teilt: „Die Lose sind zu groß für die regionalen Unternehmen“, sagt der technische Geschäftsführer des Unternehmens, Thomas Weyer. Dennoch glaubt Weyer, dass am Ende, wenn nämlich die Generalunternehmer ihrerseits Aufträge vergeben, auch die kleinen und mittleren Unternehmen beteiligt sein würden. Der Mittelstand aber könne nicht erwarten „dass wir ihm den roten Teppich ausrollen“, sagte Weyer. Die Entscheidung, den Großflughafen in 15 Generallosen auszuschreiben, sei schließlich von den Gesellschaftern des Flughafens – und das sind auch Berlin und Brandenburg – getroffen worden, um die Zahl der Schnittstellen so gering wie möglich zu halten und das Vertragsmanagement zu erleichtern.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es zudem darüber, wie ernst die Mittelstandsklausel in den Verträgen zu nehmen ist. Generalunternehmer, die ein Los gewinnen, müssen vertraglich zusichern, dass sie das offizielle Lieferantenverzeichnis des Flughafens konsultieren und geeignete Unternehmen auffordern, ein Angebot zu machen. Doch kontrollieren kann das niemand, sanktionieren schon gar nicht. „Diese Klausel ist nicht pönalisiert“, sagt Weyer – was heißt, dass die Verpflichtung, ein Unternehmen der Region mit ins Boot zu holen, ziemlich unverbindlich bleibt. „Man wird bei der Größenordnung sicher niemandem einen Auftrag wegnehmen, der sich nicht an die Klausel hält“, gibt Weyer zu.

Dass sich die Wirtschaftsförderer für diesen Umstand bisher kaum interessieren, findet Rechtsanwalt Heuer erstaunlich: „Es ist im höchsten Maße ärgerlich, dass die Länder Berlin und Brandenburg nicht darauf einwirken, dass kleine und mittlere Unternehmen Aufträge bekommen können“, sagt der Anwalt.

Joachim Lindstedt, Geschäftsführer der IHK Cottbus, attestiert den beteiligten Firmen zwar, dass sie die Mittelstandsklausel ernst nehmen, sieht aber auch „begrenzte Möglichkeiten für die Region“. Von den 85 Prozent des Bauvolumens für die Region, das die Flughafen-Manager sehen, will Lindstedt gar nicht mehr reden. Besser seien die Aussichten, bei den Anschlussinvestitionen im Umfeld zum Zuge zu kommen. Zumal die bürokratischen Hürden für die kleinen und mittleren Unternehmen sehr hoch sind. Wer überhaupt für den Kreis der Lieferanten in Frage kommen will, muss ein kompliziertes Verfahren bei der Auftragsberatungsstelle in Cottbus absolvieren.

„Gefordert werden Referenzen, die von den brandenburgischen Unternehmen nur selten beizubringen sind: Mehr als 20 Kilometer Sicherheitszaun zum Beispiel, das hat noch kein brandenburgisches Unternehmen jemals gemacht – was natürlich nicht heißt, dass sie das nicht könnten," kritisiert Heuer. Jedes Unternehmen muss Fach- und Sachkunde mit Urkunden nachweisen, die Solidität der Firma und ihrer Gesellschafter, Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Berufsgenossenschaften, Krankenkassen und Versicherungen beibringen, Referenzen benennen. Und das alle drei Monate.

„Daran haben wir vier Wochen Tag und Nacht gewurstelt, bis wir es zusammen hatten“, erzählt Thomas Seibt, Assistent der Geschäftsführung bei der Firma Airkom in Wildau. Für Airkom hat sich der Aufwand gelohnt. Die Firma, die vor allem Druckluft und Kompressoren für den Flughafenbau liefert, ist gut im Geschäft. Für die Anderen will Berlins Wirtschaftssenator Wolf jetzt die Hürden erleichtern. „Es muss reichen, wenn man die Unterlagen einmal beibringt, um in das Lieferantenverzeichnis zu kommen“, fordert er von der Flughafengesellschaft. Ein neuer Nachweis sei erst wieder nötig, wenn eine Firma tatsächlich zum Zuge kommt, findet Wolf.

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