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Berlin: Bebelplatz: Wenn die Wagen um das Mahnmal kurven

Eigentlich, sagt die Grünen-Politikerin Dorothee Dubrau, fände sie das ja nicht so toll. Autoparkplätze, wo Nazis Bücher verbrannten.

Eigentlich, sagt die Grünen-Politikerin Dorothee Dubrau, fände sie das ja nicht so toll. Autoparkplätze, wo Nazis Bücher verbrannten. Aber andererseits könne man nichts dran ändern. Schon gar nicht mehr jetzt. Das Baugenehmigungsverfahren für die Tiefgarage unter dem Bebelplatz stehe kurz vor dem Abschluss. Nicht mehr lange, dann kämen die Bagger. Aber sie, die für Stadtplanung zuständige Bezirksrätin, habe sich alles genau angesehen. Das sei schon ein machbarer Kompromiss.

Ein paar Meter unterhalb des Bebelplatzes sollen in drei Jahren 500 Autos auf zwei Ebenen parken. Die Gäste der Staatsoper Unter den Linden werden dann bei Regen oder Hagel unbeschadet die Garderobe erreichen, über einen Durchgang, der beide Gebäude verbindet. Die Parkgebühren sollen nach Angaben des Investors in dem Rahmen liegen, der in Mitte üblich ist, in jedem Fall mehr als zwei Mark pro Stunde. Verhandlungen über Sondertarife mit den Anliegern seien vorgesehen. Dabei Unterschiede zu machen, etwa zugunsten der Humboldt-Universität, werde schwierig sein.

Mit der Tiefgarage geht ein lang gehegter Wunsch der Senatsverwaltung in Erfüllung. Sie will den Parkraum auf dem Mittelstreifen der Straße Unter den Linden schließen, ihn pflastern und so "die Aufenthaltsqualität in dem historischen Ensemble erhöhen", wie Sprecherin Petra Reetz sagt. Das sei nur möglich, wenn mit einer Tiefgarage Park-Ersatz geschaffen wird. Jahrelang habe sich kein Investor gefunden. Anfang 1999 endlich habe die Münchner Tiefgaragenfirma Wöhr + Bauer Interesse signalisiert. Die Arbeiten sollen Mitte Juni beginnen. In offener Bauweise. Auf Anlieger und Besucher kommen einige Belastungen zu.

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Die angrenzende Behrenstraße wird nur noch in einer Richtung befahrbar sein, dort werden nach Fertigstellung auch die Zufahrtsrampen zur Garage liegen. Nach der Verlegung der Versorgungsleitungen wird sich der Bebelplatz ab Anfang 2002 in eine acht bis neun Meter tiefe Baugrube von 120 Metern Breite und 60 Metern Länge verwandeln. Das Loch wird vom Platz nur eine begehbare Fläche von zweieinhalb Metern Breite an dessen äußerstem Rand übrig lassen. Etwa 50 000 Kubikmeter Boden werden ausgehoben, abtransportiert und als Autobahnbaumaterial verwendet. Außerdem sollen in der Grube zwei Kräne stehen, deren Ausleger sich weit über den Firsten der angrenzenden Gebäude drehen. Nach den Worten von Bauherr Keil "ein Bild wie früher auf dem Potsdamer Platz". Und ein Albtraum für Micha Ullmann, den Vater des in den Boden des Bebelplatzes eingelassenen Mahnmals zur Bücherverbrennung.

Die vom Platz durch eine Glasplatte einsehbare bücherlose Bibliothek wird nach Abschluss der Bauarbeiten vollständig von Parkraum umgeben sein. Der Abstand zwischen Mahnmal und abgestellten Autos wird teilweise wenige Zentimeter betragen.Der bisherige Wartungszugang zum Mahnmal muss abgerissen und ersetzt werden, "eventuell durch eine Leiter", wie es bei Wöhr + Bauer heißt. Ullmann sieht sein künstlerisches Werk in Gefahr. Außerdem fürchtet er eine physische Beschädigung durch die Bauarbeiten. Das habe man, sagt die Sprecherin der Senatsbauverwaltung Petra Reetz, durch Bauauflagen ausgeschlossen. Die hält der Bildhauer für nicht ausreichend. Er erwägt, sein Mahnmal zurückzuziehen. Ullmanns Architekt Andreas Zerr fordert einen runden Tisch, "um den Interessen aller Beteiligten besser gerecht zu werden". Die Senatsbauverwaltung hält die Einwände des Bildhauers für wirklichkeitsfern. Sprecherin Reetz: "Wir reden hier vom realen Leben, und das entwickelt sich im Laufe der Jahre eben weiter." Sie könne Ullmann nicht verstehen.

Rico Czerwinski

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