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Berlin: Bei Fritz ist jetzt Schluss mit Punk

Rauswurf auf Raten: Seit Freitag ist der Moderator Tommy Wosch nicht mehr beim Jugendradio zu hören. Im Juli soll er zwar wieder senden dürfen, doch er plant schon mal eine Bühnenshow

Zum Abschied gab er noch einen kleinen Rat. „Noch ein Tipp für die männlichen Hörer: Bei Hodenhochstand hilft Kopfstand machen.“ Das war die letzten Worte des Moderators Tommy Wosch, die er für seinen Radiosender Fritz sprach. Acht Jahre hat er mit provozierenden Äußerungen Fans gewonnen und Verantwortliche schockiert.

Ab dieser Woche wird er auf Fritz nicht mehr zu hören sein. Weil er im Dezember 2002 on Air über die angeblich besoffenen Wachmänner des Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) schimpfte, die ihn wiederholt nicht auf den Parkplatz ließen. Der ORB, zu dem Fritz gehört, fühlte sich durch die Beleidigung der Wachmänner als Institution angegriffen und verstand keinen Spaß mehr. Seine nächtliche Sendung Blue Moon durfte Wosch fortan nicht mehr moderieren, die Mittagssendung Bollmann nur noch bis vergangenen Freitag. Das mag überraschen, denn Gründe für einen Rausschmiss hätte praktisch jede Sendung seit 1995 geliefert. Seine eigenwillige Form der Satire machte Wosch zum Dauergast beim Rundfunkrat, der sich immer wieder fragte, ob man so etwas im Radio senden dürfe. Warum also gerade jetzt?

Diese Frage kann auch Konrad Kuhnt nicht befriedigend beantworten. Der Chefredakteur von Fritz sagt, dass die Hintergründe hinlänglich bekannt seien und die Vereinbarung mit Wosch ohnehin „am Ende dieses Monats“ ausgelaufen wäre. Bisher wurde sie allerdings immer verlängert. Zum fraglichen Abend möchte sich auch Wosch nicht äußern. Er sagt nur, dass er trotz allem nicht sauer ist, „weil ich Fritz gegenüber eine große Dankbarkeit empfinde. Ich brauchte ein Ventil, Fritz hat es mir gegeben – und ich habe es genutzt. Ich habe Punk gemacht.“

Nun ist es aus mit Punk, und das bei einem Jugendsender. Oder doch nicht? Nach Tagesspiegel-Informationen soll der ORB-Intendant, Hansjürgen Rosenbauer, Wosch lediglich eine dreimonatige Pause verordnet haben. Das hieße, dass Wosch im Juli wieder senden könnte, und würde auch dessen Zurückhaltung erklären: Bislang hat der gelernte Jurist keine rechtlichen Schritte eingeleitet. Kuhnts offizielle Version: „Wosch will im Sommer ein Konzept für eine neue Sendung vorlegen. Dann entscheiden wir über die weitere Zusammenarbeit.“ Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass man Zeit verstreichen lassen will, um die Proteste der Fans abklingen zu lassen. Schließlich fusioniert der ORB in Kürze mit dem Sender Freies Berlin, da will man sich nicht mit Problemfällen herumschlagen. Und ob sich der neue Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) an alte Absprachen halten wird, ist ungewiss.

Bei den anderen Fritz-Moderatoren Jens Quandt, Trevor Wilson, Meikel Schulz, Fabian Maier, Peter Hofmann und Mike Lehmann ging man weit weniger subtil zu Werke. Sie mussten von heute auf morgen gehen, weil sie zu lange freie Mitarbeiter waren. Nach zehn Jahren erlangen die Moderatoren den Status (und die Rechte) eines festangestellten Mitarbeiters – das wollte der ORB verhindern. Woschs Kollege Jürgen Kuttner bezeichnete die Vorgehensweise in der „taz“ als „widerlich“. Diesmal sei die Lage ganz anders, sagt Kuhnt. „Wenn Tommy und ich uns unterhalten, werden wir uns nicht anlügen. Dafür kennen wir uns schon viel zu lange.“ Doch unstrittig ist: Wosch ist freier Mitarbeiter; sein zehntes Dienstjahr rückt näher.

Die Fans wollen sich jedoch nicht damit abfinden, dass ihnen ein weiterer Liebling genommen wird. „Aktion Sorgenwosch“ läuft auf Hochtouren: Zwei Demonstrationen gegen den Rausschmiss gab es bereits vor der Sendeanstalt in Potsdam, weitere sind geplant. Auf der Fritz-Internetseite überschlagen sich Beiträge zum Thema Wosch, täglich fragen Hörer in den Sendungen nach ihm.

Und wenn alles nichts hilft? Zwei andere öffentlich-rechtliche Anstalten haben Interesse an Wosch bekundet. Er überlegt auch, sein Konzept einfach auf der Bühne fortzuführen und sucht schon nach einem geeigneten Ort. Was würde da besser passen als das „Columbia Fritz“? Es wird ein Leben nach Fritz geben, auch wenn es wohl nicht so schön wird. „Ich hatte eine großartige Zeit hier, und natürlich würde ich gern bei Fritz bleiben“, sagt Wosch. Noch lebt der Punk. Ob er demnächst begraben wird, liegt bei Fritz.

Christian Hönicke

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