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Berlin: Bei Schimmel Neubau

„Stadt und Land“ ersetzt Kunden das Eigenheim

Ein solches Angebot haben auch langjährige Beobachter der Baubranche noch nicht erlebt: Weil 37 erst wenige Jahre alte Reihen- und Doppelhäuser in Rudow schwerwiegende Mängel haben, bekommen deren Eigentümer ein neues Haus mit derselben Architektur, demselben Grundriss an derselben Stelle – eine identische Kopie, nur eben völlig neu und mangelfrei. Und damit dieses Mal auch wirklich nichts schief geht, überprüfen Rechtsanwälte die Verträge mit den Baufirmen und ein Experte überwacht die Bauarbeiter: tagein, tagaus.

Das Ganze kostet 8,3 Millionen Euro. Eine solche Summe hätte wohl keine private Firma aufgebracht. Bei gravierenden Mängeln flüchten diese meistens in die Insolvenz. Der Käufer bleibt dann auf seinem Schaden sitzen. Doch in diesem Falle drohte ein Politikum: Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ hatte die von Schimmel befallenen Reihenhäuser an der Elisabeth-Selbert-Straße Ende der 90er Jahre errichtet. Sie folgte dem Aufruf des damaligen Bausenators Jürgen Klemann (CDU), der eine kleine Bauausstellung zum „300 000-Mark-Haus“ gefordert hatte, um die Abwanderung von Berlinern ins Umland zu stoppen. Das Ergebnis in Rudow: Baupfusch.

„Der Schimmelbefall wurde immer schlimmer“, sagt der Geschäftsführer von „Stadt und Land“, Rudolf Kujath. Deshalb habe man zunächst das Haus einer betroffenen Eigentümerin zurückgekauft, auseinander gebaut und den Schaden begutachten lassen. Ergebnis: Das Holz, das die Firmen aus Litauen verwendet hatten, war mangelhaft. Schlecht verarbeitet war auch anderes, viele Anschlussstellen für Steckdosen zum Beispiel. Die Folge: Feuchtigkeit drang durch undichte Stellen in den Innenraum, kondensierte, und dort blühte der Schimmel. Das Glück für die Käufer: „Stadt und Land“ hatte keine Tochterfirma für dieses Bauvorhaben gegründet, die man einfach in Konkurs schicken könnte. Außerdem wägt Geschäftsführer Kujath ab: „Die Alternative zum Neubau wäre es, zwei Mitarbeiter ein Arbeitsleben lang mit den Beschwerden zu beschäftigen.“ Außerdem wären Aufwand und Kosten der zu erwartenden Prozesse hoch. Das Angebot des Bauherrn haben die Eigentümer von sechs Reihenhäusern in zwei von elf Blöcken angenommen. Einer von ihnen ist der in einer Brandenburger Verwaltung beschäftigte Beamte Stefan Hinz: „Natürlich ist man erstmal geplättet, wenn es heißt: Das Haus wird abgerissen“, sagt er. Andererseits müsse er anerkennen, dass sich „Stadt und Land“ sehr „kooperativ“ gezeigt habe.

Der dreiköpfigen Familie wurde eine Ersatzwohnung mit drei Zimmern in einer Seitenstraße angeboten. Und, weil das Haus ein Zimmer mehr hatte, zusätzlich noch eine Einzimmerwohnung. Eine Umzugsfirma habe Möbel und Kisten befördert. Für die neuen Wohnungen zahlt Hinz nur die Betriebskosten. Allerdings muss er seiner Bank auch weiterhin die Zinsen für den Kaufpreis des inzwischen abgerissenen Hauses bezahlen. „Mit den Banken hatte es wegen des Abrisses auch Probleme gegeben“, sagt Hinz. Die seien aber inzwischen ausgeräumt.

Andere Bewohner der Häuser spekulieren noch auf eine möglichst üppige Entschädigung für Kummer und Sorgen, die mit dem vorübergehenden Verlust des Eigenheims verbunden sind. Sie halten sich bedeckt, ob sie die angebotenen Verträge unterschreiben werden, die ihnen einen Tausch „Alt gegen Neu“ verheißen. Ein Argument dagegen lautet: Früher hatte ich ein Holzhaus, die Neubauten werden aus Stein sein.

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