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Berlin: Beistand in schweren Stunden

Notfallseelsorger helfen seit zehn Jahren. Künftig sind auch Muslime im Einsatz

Was passiert mit einem Menschen, wenn die Hoffnung immer mehr schwindet? Wie werden Angehörige und Freunde von Vermissten in den Krisengebieten in Asien damit fertig, dass sie ihre Liebsten wohl nie wieder sehen werden? Viele werden Hilfe brauchen, vermutet Pfarrer Jörg Kluge, Beauftragter der Notfallseelsorge in Berlin. Bereits vergangene Woche standen Notfallseelsorger am Flughafen Tegel und haben Heimkehrern aus den Krisengebieten Hilfe angeboten. „Uns stand ein separater Raum zur Verfügung, in dem wir mit einzelnen Leuten geredet haben. Viele haben einfach nur geweint, andere drauflosgeredet, was ihnen widerfahren ist“, sagt Kluge.

Zuhören, mitfühlen und weitere Hilfe vermitteln – das ist in erster Linie ihre Aufgabe. Vor fast genau zehn Jahren wurde die Notfallseelsorge in Berlin gegründet. Der damalige Leiter des Dezernats „Delikte am Menschen“, Horst Brandt, hatte die Idee. „Ich habe so oft mit Angehörigen zu tun gehabt, die einen Menschen verloren haben. Viele haben Hilfe benötigt bei der Verarbeitung, die wir als Polizei nicht leisten konnten.“ Brandt setzte sich mit dem damaligen Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky, dem Feuerwehrchef Albrecht Broemme sowie dem katholischen Pater Vincens und dem evangelischen Pfarrer Jörg Kluge zusammen und organisierte die Notfallseelsorge, die nicht nur von Theologen übernommen wird, sondern unter anderem auch von Psychologen oder Sozialarbeitern.

Im Frühjahr werden die 80 Seelsorger Verstärkung bekommen von zwölf muslimischen Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern. Derzeit schauen sie den erfahrenen Seelsorgern über die Schulter, „um zu sehen, worauf es ankommt und was auf sie zukommt“, sagt Brandt.

Der türkische Arzt Ismail Tuncay ist einer von ihnen. „Nicht nur die gemeinsame Sprache mit den Angehörigen von Opfern ist wichtig“, sagt er, sondern auch die kulturellen Unterschiede seien entscheidend bei der Hilfe. „Muslimische Familien trauern ganz anders als deutsche.“ Ist ein Angehöriger verunglückt, bildete sich schnell eine Traube von meist weinenden Familienmitgliedern, Nachbarn und Freunden. „Da muss man gewisse Gepflogenheiten beachten, wenn man diesen Menschen in ihrer Trauer helfen möchte“, sagt Tuncay.

So gilt es als respektlos, wenn die Polizei den Leichnam eines Angehörigen zur Obduktion mitnimmt. „In so einem Fall ist ein muslimischer Seelsorger, der dieselbe Sprache spricht, einfach näher dran.“ Das gilt auch für bestimmte Trauer-Rituale. So sagt man beispielsweise als Erstes, wenn man in eine trauernde, türkische Familie kommt: „Basiniz Sag Olsun“. Das entspricht dem deutschen „Mein Beileid“. Allein diese Geste kann schon viel Zutrauen bewirken, sagt Tuncay.

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