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Welchen Namen soll der Platz am Jüdischen Museum in Berlin tragen, darüber streitet der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

© dpa

Benennung des Platzes am Jüdischen Museum: Rabbinerin Jonas oder Denker Mendelssohn?

Friedrichshain-Kreuzberg streitet über den Namen eines neuen Platzes am Jüdischen Museum. Soll eine Rabbinerin oder ein Denker geehrt werden? Bei dieser Entscheidung spielt auch die Frauenpolitik eine Rolle.

Im Streit um die Benennung des Platzes am Jüdischen Museum (JMB) verschärft sich die Konfrontation in Friedrichshain-Kreuzberg. Nachdem in den Fraktionen, entsprechend einer Richtlinie von 2004, zunächst Frauennamen favorisiert worden waren, hatte sich das JMB im Herbst trotzig für den ägyptischen Gelehrten Moses Maimonides oder aber den Berliner Aufklärer Moses Mendelssohn ausgesprochen. Dem damaligen Vorschlag, mit der Adresse des frisch erstellten Education Center die israelkritische Pädagogin Alisa Fuss zu ehren, konnte JMB-Direktorin Cilly Kugelmann nichts abgewinnen. Am Mittwoch soll sich nun die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) der jüngsten Alternative stellen und entscheiden: zwischen der ersten Rabbinerin Regina Jonas und dem Philosophen Mendelssohn.

„Auch wenn wir verstehen, dass Sie das Gleichgewicht der Straßenbenennungen in die weibliche Richtung herstellen wollen“, schreibt im Vorfeld der Abstimmung Direktorin Kugelmann an die BVV-Vorsteherin Kristine Jaath (Grüne), spreche doch am Ort einer solchen Akademie nichts für die Rabbinerin Jonas. Das „ungewünscht wechselvolle“ Leben der Theologin, die 1942 in Auschwitz ermordet wurde, habe zwar feministisch-religiöse, aber keine interkulturellen Perspektiven geöffnet. Das JMB stehe für eine jüdische Geschichte in Deutschland, die nicht auf das Religiöse reduziert werden dürfe. Seine Akademie widme sich Fragen religionsübergreifender Interkultur in einer Zuwanderergesellschaft: Mendelssohn, der als Zuwanderer nach Berlin kam und sich Deutschland als „erster Jude“ angenähert habe, verkörpere dieses Projekt. Man brauche jemanden, „der mit seiner Biografie etwas von dem vorweggenommen hat, was wir heute für die künftigen Jahrhunderte als wegweisend im Sinne einer modernen, heterogenen Gesellschaft begreifen und der eine internationale Ausstrahlung besitzt“.

Flankiert wird dieses Plädoyer durch einen Brief der Direktorin des Jüdischen Gymnasiums an den Bezirksbürgermeister und die BVV-Fraktionen: Ihr Gymnasium, erinnert Barbara Witting, verdanke sich der Initiative Mendelssohns für die Gründung der ersten „Freyschule“ von 1778, in der Juden und Nichtjuden gemeinsam unterrichtet wurden. Das Werk eines Mannes, „dessen revolutionäre Ideen und Wirken“ unsere gesellschaftliche Vergangenheit und Gegenwart nachhaltig prägten, müsse an einem Ort mit großer Anziehungskraft geehrt werden. Es sei erstaunlich, schreibt Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD), dass nach diesem „Vater des modernen Toleranzgedankens in Berlin bisher weder eine Straße noch ein öffentlicher Platz“ benannt worden sei. Im Blick auf die Abstimmung beruhigt eine BVV-Genossin des Staatssekretärs, Miriam Noa, das JMB: Relevant sei die Haltung des Museums als Anlieger. Die SPD positioniere sich für Mendelssohn – und werbe für ihn.

Bei den anderen Fraktionen jedoch löst der Namenskonflikt einen ideologisch aufgeladenen Machtkampf aus. Die Grüne Berna Gezik reagiert empört auf die Frage, ob es denn Regina Jonas sein müsse. „Wir sind demokratisch“, sagt sie im Hinblick auf den Beschluss zur Namensquote. Falls man wieder davon eine Ausnahme mache, wie bei Rudi Dutschke aus „ortsgebundenen“ Gründen, „dann können wir die Frauennamen vergessen und unsere Politik in die Tonne schmeißen.“ Wie solle man zu den Kriterien, die das JMB sich wünsche, jemanden finden? „Es gibt ja nicht viele Frauen, die sich darin profiliert haben.“ Im Übrigen stamme der Vorschlag Regina Jonas vom JMB selbst. Damit bezieht sich Gezik auf eine „Longlist“ des Museums, die seinerzeit zwölf Namen enthielt sowie den Wunsch, diesmal von Frauen, wegen des männlichen Ideal-Patrons, Abstand zu nehmen.

Im Kreis der Piraten dagegen, von denen der Vorschlag „Alisa Fuss“ gekommen war, wird dem JMB Verständigung signalisiert. Fraktionsgeschäftsführer Rolf Schümer sagt, Mendelssohn bezeichnet er als „hervorragende Idee, einziges Problem: Er war keine Frau.“ Nun seien noch vom Ausschuss „Frauen und Queer“ Beschlussempfehlungen hinzugekommen: Der Quotenregel (Frauennamen – bis 50 Prozent erreicht sind) sei zu folgen; auch solle es künftig ohne Mitwirkung von „Frauen und Queer“ keine Namenswahl mehr geben. Daraufhin habe die BVV-Vorsteherin das Thema für Mittwoch gestrichen, das aber dürfe nur der Ältestenrat.

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