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Am Donnerstagabend urteilt das OVG zum Schallschutz am BER.

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Update

Neue Schlappe für den Flughafen und seine Eigentümer: BER-Anrainer können auf besten Lärmschutz Deutschlands hoffen

Brandenburg wollte bei den Hilfen für den Schallschutz bei BER-Anwohnern sparen. Doch das Oberverwaltungsgericht urteilte, dass das Schallschutzprogramm nachgebessert werden muss - jetzt wird es teuer.

Neue Schlappe für den Pannenflughafen in Schönefeld und seine Eigentümer: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat einem neuen Urteil an seiner strikten Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses zum Schallschutz für 14 000 Wohnungen am BER festgehalten. Der Vorsitzende Richter Roger Fieting verkündete diese Entscheidung am Donnerstagabend. Danach können die Anrainer nach jahrelang rechtswidrigen Billig-Bewilligungen nun mit dem den besten Lärmschutz in Deutschland rechnen. Revision wurde nicht zugelassen. Mit dem Urteil muss das von 2004 bis 2012 mit 139 Millionen Euro nie ausfinanzierte Schallschutzprogramm nun um 591 Millionen Euro nachgebessert werden. Brandenburg hatte eine 280 Millionen Euro billigere Variante versucht. Statt früher knapp 4000 Euro stehen pro Wohnung nun nach Schätzungen zwischen 30 000 und 50 000 Euro für Lärmschutzfenster oder bessere Dämmungen bereit. Allerdings wird von den Immobilien-Besitzern selbst abhängen, ob es dafür verwendet wird. Den meisten wird die Summe nun als Entschädigung überwiesen. Der Flughafen bedauerte daher in einer ersten Reaktion das Urteil, mit dem realisierter Schallschutz in den Wohnungen nicht gesichert sei.

In der Verhandlung selbst spielte die Problematik aber zum Erstaunen der klagenden Bürger und Gemeinden keine Rolle. Weder Land noch Flughafen brachten es vor. In einem Eilverfahren hatte das OVG 2012 das BER-Schallschutzprogramm für den neuen Flughafen als „systematischen“ Verstoß gegen geltendes Recht gekippt. Alle bisher rund 14 000 Bewilligungen sind hinfällig und müssen jetzt neu berechnet werden. Die Grundlage ist mit dem OVG-Urteil klar. .

In den letzten BER-Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro, die die Flughafen-Eigner letztes Jahr noch vor der erneut verschobenen Eröffnung bewilligt hatten, ist schon als Konsequenz aus dem letzten OVG-Urteil die Maximalsumme von 591 Millionen Euro enthalten. Doch hatten Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), inzwischen auch BER-Aufsichtsratschef, und Brandenburgs Behörde seitdem eine gemäßigtere, 285 Millionen Euro billigere Auslegung versucht – gegen die Umlandgemeinden wie Mahlow-Blankenfelde und private Hauseigentümer vorgingen. Deshalb wurde Brandenburgs Ministerium verklagt.

Juristisch ging es weitgehend um die Vorgabe im Planfeststellungsbeschluss, die einst genauso vom Flughafen selbst beantragt worden war. Danach darf es in den Wohnungen der Umgebung „keine“ Überschreitung des GesprächslautstärkePegels von 55 Dezibel durch Fluglärm geben. Darauf pochten die Anwohner. „Das ist ein absoluter Grenzwert“, sagte Fieting bei der Urteilsverkündung. Zulässig seien weniger als eine Überschreitung in 180 Tagen, 0,005 pro Tag. Der Flughafen war in der Praxis von täglich 6 Überschreitungen ausgegangen, bis er vom OVG gestoppt wurde. Im weiteren Fortgang erfand das Infrastrukturministerium (MIL) die „krumme Null“. Es hat 2012 dem Flughafen täglich bis zu 0,5 Überschreitungen erlaubt – also jeden zweiten Tag eine, in einem halben Jahr maximal 89. Mit mathematischer Rundung sei auch das eine Null, argumentierten Land und Flughafen. „Das ist ein exorbitant guter Schallschutz, das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland“, sagte Anwalt Klaus-Peter Golde, Rechtsbeistand des MIL. Er verwies darauf, dass Oberverwaltungsgerichte etwa beim Flughafen Ramstein oder Düsseldorf täglich sechs oder 16 Regelüberschreitungen für zulässig erklärt hatten. Prompt musste sich Dolde einen MIL-Vermerk vom September 2011 vorhalten lassen, wonach er damals selbst keine Auslegungsspielräume in dieser Frage sah – und eine Auflage an den Flughafen mit dem Null-Standard empfahl.

Anrainer-Anwalt Wolfgang Baumann warnte, nachträglich den Planfeststellungsbeschluss umzuinterpretieren. Er erinnerte an die Vorgeschichte des Flughafens, die maßgeblich für die hohen Schutzstandards gewesen sei. „Damals war klar: Wenn der Flughafen schon in Schönefeld entstehen soll, mitten in bewohntem Gebiet, dann müssen die Betroffenen wenigstens guten Schallschutz haben.“ Auch der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte jetzt bekräftigt, dass man „beim Schallschutz nicht kleckern, sondern klotzen“ wollte, was aber nie geschah.

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