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Klaus Wowereit nach der erneuten Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden.

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Update

Kritik an Wowereits Rückkehr als BER-Chefaufseher: Pop: "Das peinlichste Comeback des Jahres"

Berlins Regierungschef Klaus Wowereit ist wieder Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft. Das Kontrollgremium wählte ihn am Freitag bei einer Sitzung im brandenburgischen Motzen. Von Linken, Grünen und CDU hagelt es Kritik.

Die Rückkehr von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an die Aufsichtsratsspitze sorgt bei seinem Koalitionspartner für Kritik. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus bedauerte, dass das Kontrollgremium nicht die Kraft gefunden habe, einen externen Vorsitzenden zu finden. Generalsekretär Kai Wegner warf der brandenburgischen Landesregierung vor, bei der Neubesetzung versagt zu haben. Es bleibe ein wichtiges Ziel, externen Sachverstand einzubeziehen. Die Fraktionschefin der oppositionellen Grünen, Ramona Pop, sprach vom peinlichsten Comeback des Jahres. Wowereit habe bereits gezeigt, dass er es nicht könne.

Bei der Aufsichtsratssitzung am Freitag im brandenburgischen Motzen hatte es 12 Ja-Stimmen für Wowereit gegeben. Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) hatte mit Nein gestimmt. Sein Parteikollege Ralf Christoffers enthielt sich, ein Mitglied fehlte.

Auf der Pressekonferenz betonte Wowereit, dass er sich nicht um das Amt gerissen habe. Brandenburg habe durch das Vorschlagsrecht die Möglichkeit gehabt, einen externen Experten vorzuschlagen, habe dies aber nicht getan. "Wir werden gemeinsam alles tun, um die Probleme zu lösen, damit der Flughafen schnell an den Start gehen kann", sagte der Regierender Bürgermeister, nannte aber keinen konkreten Termin. Er sei sich bewusst, dass bei dem Projekt schon viel schief gelaufen sei und seine Rückkehr kritisch gesehen werde, als Regierender Bürgermeister hätte er sich aber nicht "wegducken" können. Die Gegenstimme und die Enthaltung aus der Linken betrachte er als "eine politische Entscheidung, nicht als persönliche".

Zur Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Hartmut Mehrdorn kündigte Wowereit höchste Sorgfalt an. "Sie können sicher sein, dass ich nicht alle Wünsche von Mehrdorn erfüllen werde", erklärte Wowereit, der die im Raum stehenden Stillstandkosten von 35 Millionen pro Monat als deutlich zu hoch bezeichnete.

Genehmigung für Testbetrieb liegt nicht vor

Mehdorns Plan für einen eingeschränkten Testbetrieb auf dem Nordpier des BER werde er momentan nachgeben. Es gelte der Beschluss aus dem vergangenen Sommer, wonach der Aufsichtsrat darüber erst entscheide, wenn die Genehmigung des Bauordnungsamtes für den nötigen Umbau vorliege. "Diese Genehmigung liegt aber nicht vor", bekräftigte Wowereit.

Für die Forderungen aus Brandenburg nach einem Nachtflug habe er zwar Verständnis, man müsse aber die Wirtschaftlichkeit des BER im Auge behalten und einen Kompromiss finden. "Das Projekt ist jetzt auf dem richtigen Weg", sagte Wowereit, der auch als Person zum Flughafen-Projekt stehe.

Im Januar hatte Wowereit den Posten als Aufsichtsratschef abgegeben. Der damalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) übernahm das Amt, bis er es im August nach einem leichten Schlaganfall niederlegte. Sein Stellvertreter Wowereit führte den Aufsichtsrat seitdem kommissarisch. Stellvertretender Vorsitzender wird der Brandenburger Staatssekretär Rainer Bretschneider (SPD).

Im brandenburgischen Motzen, im Residenzhotel am Motzener See, hatte am Mittag die Sitzung des Flughafenaufsichtsrates begonnen. Im Vorfeld hatten sich Berlin, Brandenburg und der Bund wie berichtet bereits auf Wowereit verständigt.

Rückkehr sorgt für Kritik bei Linken und Grünen

Die Grünen und die Linken hatten schon im Vorfeld davor gewarnt, Wowereit wieder zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums zu wählen. Dadurch würden die Verantwortlichen ihr Versagen amtlich bestätigen, erklärten Renate Künast, Annalena Baerbockund Stephan Kühn von der Bundestagsfraktion der Grünen.  Es  sei immer noch vollkommen offen, wann der Flughafen eröffnet werde. Die Kosten liefen  weiter aus dem Ruder – in Milliardenhöhe. Ausgerechnet die Person, die für die Misere die politische Verantwortung trage, wieder zum Aufsichtsratschef machen zu wollen, sei schlicht unverantwortlich.

Völlig unverständlich sei auch, dass Brandenburgs Ministerpräsident, Dietmar Woidke mit der Wahl Wowereits einen Nachtflugbefürworter zum Aufsichtsratsvorsitzenden wählen lasse und damit den mit großer fraktionsübergreifender Mehrheit getragenen Beschluss des brandenburgischen Landtags zum Nachflugverbot ignoriere, heißt es in der Erklärung weiter. Jetzt sei ein qualifizierter Neustart mit einer Fachperson, die ein solches Großprojekt qualifiziert leiten könne, erforderlich. Weitere Personalpossen seien nicht nur peinlich, sondern sie kämen  die Steuerzahler immer teurer zu stehen.

Eine Fachperson für den Posten ist allerdings bisher nach dem Rückzug des ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) aus dem Gremium nicht gefunden worden. Wowereit ist seit seinem Rücktritt vom Aufsichtsratschefposten im Frühjahr Stellvertreter geblieben.

Markov: "Ich halte Wowereit für einen ungeeigneten Vorsitzenden"

Herbert Behrens von der Linken-Bundestagsfraktion fordert von Wowereit bei einer Wahl ein „konsequentes Eintreten für ein Nachtflugverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr“, was der Regierende bisher ablehnt. Ohne dieses Bekenntnis sei Wowereit für die Linke nicht tragbar, erklärte Behrens. Bei dieser Diskussion dürfe man aber nicht vergessen, dass auch Flughafenchef Hartmut Mehdorn seine Aufgaben nicht erfüllt habe. „Die Geschichte des Geschäftsführers Mehdorn ist eine des totalen Versagens“, teilte der Verkehrsexperte der Linken mit.

Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke), der zugleich Vorsitzender des Finanzausschusses im BER-Aufsichtsrat ist, bekräftige die ablehnende Haltung der Linken zu der Personalie. "Ich halte Wowereit für einen ungeeigneten Vorsitzenden." Als Aufsichtsratsvorsitzender müsse dieser "die Firma auch dahingehend beraten, für ein gutes Image zu sorgen". Dann könne man nicht einfach 110.000 Unterschriften zum Fluglärm ignorieren, sagte Markov. Und dennoch: Die Wahl Wowereits würde aus seiner Sicht keinen Streit in Brandenburgs rot-roter Landesregierung auslösen. "Das ist keine Frage der Koalition. Der Aufsichtsrat hat das Recht, aus seiner Mitte einen Vorsitzenden zu wählen." Jeder Aufsichtsrat sei dabei frei in seiner Entscheidung.

Am Morgen hatten die BER-Kontrolleure zunächst die Flughafenbaustelle in Schönefeld besichtigt. Weit abgeschirmt von der Öffentlichkeit rauschten die Limousinen auf den abgesperrten Teil des Airports. Vor dem Terminal protestierten rund ein Dutzend Fluglärmgegner für mehr Nachtruhe - und gegen das Personalkarussell beim Aufsichtsrat. "Wir finden dieses Bäumchen-Wechsel-dich-Spiel unglaublich", sagt André Organiska von der Bürgerinitiative Gosener Wiesen. "Wir haben vor knapp einem Jahr hier protestiert, als Wowereit zurückgetreten ist - und jetzt wird er es wieder. Das ist unglaublich." Peter Reuter aus Kleinmachnow sagt zu der Personalie: "Ich denke er hatte jahrelang die Chance, sich am BER zu bewähren. Die hat er vertan." (mit dpa)

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