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Berlin: Bergab beim Einzelhandel: Von der Laufkundschaft verlassen

Die Geschäfte am Steglitzer Damm und in der Albrechtstraße gehen schlecht. "Die Kaufkraft sinkt ganz enorm", sagt etwa Detlef Koschitzki, Inhaber des Ladens "Optik 2001" am Steglitzer Damm 68, der in der fünften Generation das Geschäft führt.

Die Geschäfte am Steglitzer Damm und in der Albrechtstraße gehen schlecht. "Die Kaufkraft sinkt ganz enorm", sagt etwa Detlef Koschitzki, Inhaber des Ladens "Optik 2001" am Steglitzer Damm 68, der in der fünften Generation das Geschäft führt. "Die Situation war vor zehn Jahren so viel besser, dass ich heulen könnte." Die Gewerbetreibenden leiden nicht nur unter der Konkurrenz der Schloßstraße. Auch steigende Mieten, schlechte Zahlungsmoral, der Wegzug von Familien ins Umland, die Überalterung des Bezirks und der immer größer werdende Leerstand von Wohnungen macht den Einzelhändlern zu schaffen. Die SPD Steglitz lädt deshalb heute um 20.15 Uhr alle Händler im Bereich Südende, Steglitzer Damm und Albrechtstraße zu einem Gespräch in den Seniorenfreizeitclub Selersweg 18 ein.

"Wir haben 400 000 Quadratmeter Verkaufsfläche zu viel in Berlin", schätzt Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Berliner Einzelhändlerverbands, der bei der Veranstaltung sprechen wird. "Durch einen ruinösen Standortwettbewerb ging es in den letzten sechs Jahren mit dem Einzelhandel bergab." Deutschlandweit sei der Marktanteil von inhabergeführten Fachgeschäften von 1980 bis 1995 von 55 Prozent auf 36 Prozent gesunken. Kooperieren heiße deshalb das Zauberwort. Denn: "Die Zeit des Einzelkämpfers ist definitiv vorbei."

Den Händlern in Südende macht vor allem die Schließung der Postfiliale vor zwei Jahren zu schaffen. Seitdem fehlt die Laufkundschaft. Christine Dörrfeld von "Blumen Dörrfeld" hat seit Jahren einen rückläufigen Umsatz. "Uns läuft der gesunde Mittelstand weg", sagt die Blumenhändlerin, die das Geschäft in der dritten Generation führt, "die Leute haben weniger Geld". Vor 30 Jahren sei die Ladenwelt am Steglitzer Damm vielfältiger gewesen. Einen Kurzwarenladen, Tante-Emma-Geschäfte, einen Fischverkäufer habe es ebenso gegeben wie viele kleine Drogerien. Ähnlich wie in anderen Berliner Subzentren sind Video- und Handygeschäfte sowie Matratzen-Billigläden in deren Geschäfte eingezogen. "Die Zeit der Einzelhändler ist vorbei", meint Dörrfeld, "und jetzt machen sie uns ganz kaputt." Wo noch vor einigen Jahren Qualität im Vordergrund gestanden habe, sei nun ein möglichst günstiger Preis das Hauptkriterium für den Kunden. Und da können Familienbetriebe mit den großen Ketten nicht mithalten.

Fährt man den Steglitzer Damm weiter hinunter, sind immer noch viele kleine Geschäfte zu sehen. Auch die Albrechtstraße sieht zumindest nicht so aus, als ginge es bergab, auch wenn einige Ladenräume leer stehen. Doch der Schein trügt. Gabriele Seebode vom Buchladen Auerbach Nachfolger in der Albrechtstraße 10 schreibt seit Jahren keine schwarzen Zahlen mehr. Seit 15 Jahren führt sie das Buchgeschäft, das seit 1882 besteht. Seitdem eine Butter-Lindner-Filiale geschlossen hat, fehlt auch ihr das Laufpublikum. Hier, im Steglitzer Zentrum, mangelt es nicht an Kaufkraft. "Das ist keine arme Gegend hier", sagt Seebode, die vor einem Jahr ihr Angebot um Wein erweitert hat, "aber die Albrechtstraße muss wieder attraktiver werden". In den letzten Jahren sei die Straße heruntergekommen. Videotheken und Spielhallen halten bestimmte Kunden fern, steigende Gewerbemieten machen es den Händlern schwer. "Da rentiert es sich für den Eigentümer steuerlich eher, einen Laden leer stehen zu lassen", vermutet Seebode. Sie hat sogar einen Brief an Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) geschrieben, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen: "Die Situation ist verdammt ernst", schreibt die Buchhändlerin und bittet um eine schnelle Antwort: "Wir wissen nicht, wie lange es uns noch gibt."

Katharina Körting

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