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Berlin: Am Bahnhof Zoo sind Fernzüge bald Geschichte

Am 27. Mai werden zum letzten Mal ICE-Züge am Bahnhof Zoo halten. Mit Betriebsbeginn im neuen Hauptbahnhof wird der Zoo vom Fernverkehr abgekoppelt.

Berlin - Wenn am 27. Mai die windschnittigen ICE-Züge zum letzten Mal am Berliner Bahnhof Zoo halten, werden sich die Reisenden wie auf einer Beerdigung fühlen. Kränze mit schwarzem Trauerflor sollen spät am Abend auf den Bahnsteigen liegen. Sie sind Symbole für den wehmütigen Abschied vieler Westberliner von ihrem legendären Bahnhof Zoologischer Garten. Die Kränze sind auch Zeichen eines verlorenen Kampfes gegen Bahnchef Hartmut Mehdorn, der ganz auf den 4 Kilometer entfernten gläsernen Hauptbahnhof setzt.

Das Schicksal des Bahnhofs Zoologischer Garten erhitzt die Westberliner Gemüter seit mehr als einem Jahr. Mitte Juli 2005 hatte Mehdorn seinen endgültigen Entschluss bekannt gegeben. Vorher hatte auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lange für einen ICE-Halt am Zoo gestritten. Doch zum Schluss lenkte er ein. Dass die Bahn nicht Milliarden investiere, ohne dass sich etwas ändert, sei «eine Logik, der man sich schwer entziehen kann», sagte Wowereit. Auch die Industrie- und Handelskammer sah keinen «Supergau für die City West».

Die Phalanx der hartnäckigen Zoo-Freunde bröckelte danach nicht. Geschäftsleute, Bezirkspolitiker und eine Bürgerinitiative stritten Monate lang für den Erhalt ihres Fernbahnhofs. 1882 gebaut, war er nach dem Mauerbau 1961 mehr als ein Fernbahnhof. Als letzter Halt vor dem geteilten Bahnhof Friedrichstraße war er zu einem Symbol Westberlins geworden. Sein Name klang vielen nach Ankunft, Freiheit - und nach wildem Leben.

Selbst der fade Beigeschmack des Drogenmilieu-Bestsellers «Wir Kinder vom Bahnhof Zoo» vor fast 30 Jahren hat ihm nicht nachhaltig geschadet. Dass die schmalen Fernbahnsteige ein Provisorium aus Mauerzeiten blieben, nicht ungefährlich bei der Einfahrt schneller Züge, war vielen Reisenden nicht wichtig. In Berlin werden Provisorien manchmal zu Institutionen.

Die Zoo-Verfechter argumentierten mit vielen Vorteilen des Bahnhofs: mit der Nähe der Kaufhäuser und Hotels am Ku'damm und den guten Anschlussmöglichkeiten an Busse, U-Bahnen und S-Bahn. Sie sahen sich als Sprachrohr der vielen Touristen. Die Initiatoren sammelten schließlich mehr als 100 000 Unterschriften für den Erhalt des Fernbahnhofs.

Die Argumente von Bahnchef Mehdorn klangen dagegen immer nach dem kühlen Charme der Betriebswirtschaft. Drei bis vier Minuten schneller seien die IC- und ICE-Züge, wenn sie nicht am Zoo hielten, wiederholte er. Die Hälfte der Fernzüge rolle Ende Mai ohnehin durch den neuen Eisenbahntunnel zum Hauptbahnhof. Außerdem hielten jetzt mehr Fernzüge im Stadtteil Spandau. Spandau aber klingt am Ku'damm schon nach Sibirien.

Der Bahnhof Zoo blieb schließlich Sache der Westberliner, so wie der Protest gegen den Abriss des Palasts der Republik eine Sache des Ostens war. Nach dem 28. Mai wird der Bahnhof Zoo kaum in Bedeutungslosigkeit versinken. Alle Regionalzüge in Ost-West-Richtung halten hier weiter, auch die S-Bahn-Linien. Es gibt andere Zug- Anbieter wie das Unternehmen Veolia, das mit seinem InterConnex auf der Route Rostock-Gera weiter am Zoo hält. Vielleicht gibt es bald mehr Konkurrenz.

Das neue Verkehrskonzept, das mit dem Hauptbahnhof 15 Jahre nach der Wiedervereinigung lebendig wird, bringt für Berlin und sein Umland Veränderungen beim Bahnfahren. Es bietet mit den neuen Fernbahnhöfen Südkreuz und Gesundbrunnen aber auch neue Wege in die Stadt. Die hartnäckigen Zoo-Verfechter wollen ihren Protest fortsetzen. Für den 30. Mai haben sie zur nächsten Demonstration aufgerufen. (tso/dpa)

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