zum Hauptinhalt
Berlin braucht mehr Ärzte.

© dpa

Update

Gesundheits- und Strukturatlas: Berlin braucht mehr Ärzte

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will "Berliner Interessen" verteidigen und mehr Ressourcen in die Stadt holen: Ein bundesweiter Datenvergleich soll dem Senat dabei helfen.

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) – derzeit wegen der Flüchtlingskrise unter Druck – geht in die Offensive: Berlin brauche mehr Mittel aus dem Länderfinanzausgleich, mehr Arztpraxen und mehr Pflegehilfen - es gehe um "Berliner Interessen". Grund dafür sei die im Bundesvergleich stärkere Belastung der Bevölkerung in der Hauptstadt: ökonomisch, sozial, gesundheitlich.

Am Montag hat Czaja den neuen Gesundheits- und Sozialstrukturatlas vorgestellt: Die dabei berücksichtigten Daten sortieren sonst die Berliner Wohngebiete nach sozialer Stärke.

Diesmal aber hat der Senator dies für alle Bundesländer prüfen lassen: Berlin wird also nicht wie üblich anhand der Einwohnerzahl und des Steueraufkommens mit den anderen Ländern verglichen, sondern auch anhand von Armutsrisiko, Bildung und vermeidbarer Sterblichkeit. Was sofort zum Lieblingsthema des Senators führte: die ärztliche Versorgung.

Czaja: 120 Hausärzte mehr für Berlin

Derzeit residieren knapp 2400 Hausärzte mit ihren Praxen in der Stadt – statistisch ist einer für fast 1690 Einwohner zuständig. Einige Länder schnitten formal schlechter ab, sagte Czaja, aber Berlin sei eben arm und hinsichtlich des Zuzuges dynamischer. Würden Arbeitslosigkeit, Einkommen, Armutsrisiko, Pflegefälle und Krankheiten der Berliner berücksichtigt, wären 120 neue Hausärzte nötig, am Ende müssten sich nur 1629 Bewohner eine Praxis teilen.

Die bundesweit gültigen Parameter für die ambulante Versorgung sind 1992 festgelegt worden. Sie würden seitdem zwar fortgeschrieben, sagte Czaja, aber eben nicht ausreichend genau. Erst ab kommendem Jahr, so hat es die Bundespolitik festgelegt, müssten eben jene Sozialdaten berücksichtigt werden. Dazu gehören auch die Erreichbarkeit der Praxen – etwa lange Busfahrten über Land. Zudem soll Bildung eine Rolle spielen – also die Fähigkeit eines Patienten, sich Hilfe zu organisieren. Zudem werden schwere Neuerkrankungen berücksichtigt – etwa bösartige Tumore.

Über die bundesweite Verteilung der Arztsitze entscheidet ein Gremium aus Kliniken, Kassenärzten und Krankenversicherungen in den kommenden Monaten. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich die Branchenvertreter der Methode und den Schlussfolgerungen des Senats anschließen.

Die Grünen kritisierten, statt neuer Zahlen oder konkreter Vorhaben habe Czaja nur Ratschläge an die Bundesebene gegeben.

Vor zwei Jahren hatte Czaja schon die berlininterne Praxenverteilung geändert: Kinder- und Hausärzte dürfen sich seit 2013 nur dort niederlassen, wo sie aus sozialen Gründen gebraucht werden, wo also der genannte Mix an Faktoren auf relative Not hinweist. Wer in Tempelhof eine Praxis hat und nach Steglitz möchte, bekommt keine Erlaubnis, weil der Kiez besser versorgt ist. Aber er kann nach Neukölln ziehen. Bislang gingen Czaja zufolge von 189 Praxisumzügen 157 in unterdurchschnittlich versorgte Bezirke.

Grundgesetz: „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“?

Der Senator sprach auch von der im Grundgesetz verankerten „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ – weshalb er Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) gebeten habe, die Daten bei der geplanten Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zu nutzen. "Im Bundesschnitt ist Berlin sozial stärker belastet", sagte Czaja, "aber schlauer." Es gebe durchaus Länder, die es schwerer hätten.

Insgesamt stehen die Bundesländer laut Atlas wie von vielen erwartet da: Neben den drei Stadtstaaten weisen vor allem die Länder im Süden gemeinsam ähnliche Sozialdaten auf.

Einen Kommentar finden Sie hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false