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Berlin: berlin.de: Berlin im Netz zum Ausverkauf

Sie sollte das virtuelle Tor Berlins in die Welt werden: die offizielle Internet-homepage des Landes unter dem begehrten Netznamen "berlin.de".

Sie sollte das virtuelle Tor Berlins in die Welt werden: die offizielle Internet-homepage des Landes unter dem begehrten Netznamen "berlin.de". Zur Information der Berliner ebenso wie für die Touristen, die es in die deutsche Hauptstadt zieht. Für den ersten Klick ins Netz legten der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Tochter debis AG, Klaus Mangold, der Vorstand der Berliner Volksbank, Rudolf Prast, und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen persönlich Hand an eine riesige Computermaus. Ein Klick auf die linke Maustaste, und Berlin war in der Zukunft angekommen.

Monatlich werden inzwischen etwa 14 Milionen Seiten bei berlin.de aufgerufen. Ein erheblicher Teil der Besucher klickt sich aus dem Ausland nach Berlin. Doch die Zukunft des Berliner Netzauftritts ist ungewiss. Wenn heute der Aufsichtsrat der Berliner Volksbank tagt, dann steht auf seiner Tagesordnung auch die Frage: "Wie weiter mit berlin.de?"

Die "berlin.de New Media GmbH", deren alleiniger Gesellschafter jetzt die Berliner Volksbank (BVB) ist, schreibt kontinuierlich rote Zahlen. Die Krise der New Economy zehrt am Unternehmen ebenso wie die sinkenden Werbeeinnahmen. Von rund 50 Mitarbeitern wurden in diesem Jahr bereits etwa 20 entlassen. Und jetzt stehen weitere Entlassungen an, denn die BVB prüft den Verkauf des Unternehmens.

Die Verhandlungen sind bereits weit fortgeschritten. Aus Insiderkreisen heißt es, dem BVB-Aufsichtsrat würde eine Empfehlung vorgelegt, möglicherweise für eine Fusion. Anvisierter Fusionspartner: ein anderes Berlin-Portal ins Netz, BerlinOnline, betrieben von Gruner + Jahr und der Bankgesellschaft Berlin. BerlinOnline bringt in erster Linie die Gruner + Jahr-Zeitungen "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier" ins Netz. Offenbar gibt es aber noch einen weiteren Interessenten für berlin.de. Die Tochtergesellschaft eines großen Konzerns hat nach Insiderinformationen angeboten, berlin.de als selbstständiges Unternehmen zu erhalten. Die BVB wollte zu den Vorgängen keine Stellung nehmen.

Sowohl bei den Beschäftigten von berlin.de als auch von BerlinOnline geht man bei einer Fusion davon aus, dass sich die Qualität des Angebotes nicht halten lassen wird. Schon jetzt arbeitet berlin.de an der Grenze des personell Machbaren. Bei einer Fusion will man nach Belegschaftsinformationen nur eine Handvoll Mitarbeiter behalten, darunter keine Techniker. Auch bei BerlinOnline wurden bereits Techniker zum Ende des Jahres entlassen. "Mit den wenigen Leuten können wir das nicht leisten", sagt ein Mitarbeiter von BerlinOnline.

Das Land stellt bei berlin.de nur den Namen zur Verfügung, darüber hinaus arbeiten etwa 100 bis 120 Mitarbeiter im Senat, den Bezirken und weiteren Einrichtungen am inhaltlichen Füllen der Netzseiten. Matthias Fintel, Gewerschaftssekretär von Verdi, benennt den Namen als das eigentliche Kaufinteresse von Gruner + Jahr: "Das Beste an berlin.de ist der Name selbst". Neben der offiziellen Homepage des Landes betreiben die großen Verlage der Stadt eigene Netzportale mit Service für die Stadt. Doch wer den Namen berlin.de trägt, hat die besten Chancen auf dem Markt - und damit auch die beste Zugangsvoraussetzung für Werbekunden. Gruner + Jahr gehe es, so von Fintel, insbesondere um das Prestige, das der Name mitbrächte. Die Umsetzung für das Angebot des Landes "rangiert dahinter".

Die Beschäftigten von berlin.de hoffen deshalb auf den zweiten Bewerber. In einem Brief an den Vorstand der Berliner Volksbank und an den für den Netzauftritt zuständigen Chef der Senatskanzlei, Andre Schmitz, bitten sie dringend um ein Gespräch. Man habe "Bedenken in Bezug auf die neue Ausrichtung der Firma". Angesichts der bereits jetzt für eine Fusion angekündigte Entlassungswelle befürchtet man in der Belegschaft, "dass das inhaltliche Angebot unter der Adresse berlin.de und die technischen Mittel zur Realisierung künftig auf ein Minimum beschränkt werden sollen." So bestehe die Gefahr, dass berlin.de den Anforderungen des Betreibervertrages mit dem Land Berlin "nicht mehr gerecht werden kann".

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