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Aber immerhin schön ordentlich aufgereiht! Blick in einen Berliner Hausflur.

© Mike Wolff

Berlin-Debatte: Die Rumpelkammer in meinem Hausflur

Schuhparaden und Kakteensammlungen vor der Wohnungstür, Kinderwagen im Hausflur – nicht alle Nachbarn finden das gut. Und Sie?

Goldene Sterne, einen Adventskranz an die Wohnungstür hängen – darf man das? „Klar, das ist okay“, sagt Wibke Werner vom Berliner Mieterverein. Obwohl sogar darüber schon vor Gerichten gestritten wurde. Doch wie steht es um die Fußmatte vor der Tür? Mit welchem Recht wird draußen eine Schuhparade arrangiert, stehen Schirmständer, Kinderwagen, Rollatoren oder Räder vor Türen und im Hausflur? Rumpelkammer Treppenhaus?

Die einen Mieter finden es praktisch und sogar schön, wenn ihr Allerlei plus Yuccapalme draußen steht. Für andere ist es ein Ärgernis, und sie empfinden es als Zumutung, im Slalom um Hindernisse zu ihrer Wohnung hinaufsteigen zu müssen. Besonders im Winter: Da landen reihenweise schmuddelige Schuhe vor der Tür. Und durch Oleander und Geranien werden Treppen- zu Gewächshäusern.

Kakteen und Teppiche im Hausflur

Paketboten wie Siegfried Dauer können eine ganze Typologie von Treppenhäusern zusammenstellen. Der 24-Jährige hat sein Revier in Friedenau. Dort eilt er die Stufen hoch durch Hausaufgänge, ,,die wie geleckt aussehen“; erlebt Treppenabsätze, die wie die erweiterte gute Stube wirken, mit Teppich, Kakteenparade und Bildergalerie.

Oder er schleppt seine Päckchen durch Treppenhäuser, in denen er denkt: ,,Sieht aus wie ein Flohmarkt.“ Vor allem dort erzählen ihm seine Stammkunden manche Geschichte von Zank und Streit bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen, weil sie genervt sind vom Expansionsdrang des Türnachbarn. Doch so weit wollen es die meisten Wohnungsbaugesellschaften erst gar nicht kommen lassen.

Kleinere Blumeninseln seien tolerierbar, sagt der Sprecher

Aber immerhin schön ordentlich aufgereiht! Blick in einen Berliner Hausflur.

© Mike Wolff

Bei der Lichtenberger Howoge gehen die Hausmeister deshalb strikt vor. „Schuhe und andere Dinge gehören nicht ins Treppenhaus“, heißt es in der Zentrale. Berlins größte Wohnungsbaugesellschaft Degewo versucht eher einen Mittelweg – „zwischen den Vorschriften und einem gewissen Kompromiss- und Ermessensspielraum“, wie Degewo-Sprecher Lutz Ackermann sagt. Grundsätzlich achtete man darauf, dass die Hausordnung „konsequent eingehalten wird“ – sowie zusätzlich die Bauordnung, die für alle Berliner Wohnhäuser gilt. Das bedeutet: Flucht- und Rettungswege im Hausflur und Treppenhaus müssen gut begehbar bleiben. Außerdem dürfen sich dort „keine brandgefährlichen Materialien“ befinden. Doch zugleich versichert der Sprecher: „Bei uns gibt’s kein generelles Verbot.“ Kleinere Blumeninseln seien tolerierbar. Oder Schuhe, die ordentlich im kleinen Regal an der Wand stehen. Vorausgesetzt, dies ist mit dem Hausmeister und den anderen Mietern abgesprochen. „Auf die Kommunikation untereinander und Rücksichtnahme auf unterschiedliche Bedürfnisse kommt es an“, sagt Ackermann. So bleibe der Hausfrieden ungetrübt.

Die Verhältnisse in Hausflur und Treppenhaus regelt kein Gesetz

Es gibt aber Gerichtsurteile. Sie besagen nahezu übereinstimmend, dass Privatgegenstände im Treppenhaus wie Schuhe oder Topfblumen „nicht zum vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache und der Gemeinschaftsflächen gehören“ – also nicht vor die Tür dürfen. Gleichwohl wird um das eine oder andere Objekt heftig gerungen. Zum Beispiel das Gezerre um Fußmatten: Schöneberger Amtsrichter stuften die Abstreifer schon in den frühen 90er Jahren als „üblich“ ein, kraft Gewohnheitsrecht dürfe man sie auslegen.

In Neukölln beschied das Amtsgericht das Gegenteil. Im letzteren Streitfall ergriff das Landgericht Berlin als Berufungsinstanz Partei für die Fußmatte und bestimmte, man dürfe auf ihr bei schlechtem Wetter sogar zeitweise Schuhe abstellen. Dies zeigt nach den Erfahrungen des auf Mietrecht spezialisierten Anwaltes Detlev Bishara, „dass die Amtsgerichte in den Bezirken in gleicher Sache oft gegensätzlich urteilen“. Um solch ein Hin und Her zu vermeiden, bauen Eigentümer Verbotsklauseln in Mietverträge und Hausordnungen ein und lassen beide vom Mieter unterschreiben. Dabei wollen sie sich auch gegen Haftungen absichern. Stürzt jemand im Treppenhaus unglücklich über Schuhe, so kann die Schuld auch den Hausbesitzer treffen. Unterzeichnet ein Mieter die Passagen, so legt er sich juristisch fest. Es gibt aber zwei Ausnahmen: Kinderwagen und Rollatoren.

Kinderwagen im Hausflur?

Der Bundesgerichtshof hat höchstrichterlich entschieden, dass Kinderwagen im Hausflur abgestellt werden dürfen, vorausgesetzt, sie versperren keine Fluchtwege und werden möglichst zusammengeklappt und nicht angeschlossen, damit man sie im Notfall wegschieben kann. Die Wagen in den Keller oder nach oben zu schleppen, sei unzumutbar, heißt es. Anders bei den Fahrrädern. Hier halten es die Richter für vertretbar, sie die Kellertreppe hinabzutragen. Die Feuerwehr dagegen mag Kinderwagen im Hausflur nicht sehen. Zu oft musste sie dort Wagen löschen, die Brandstifter angesteckt hatten. „Besser hochschleppen, als Flammen riskieren“, sagt Feuerwehrsprecher Stephan Fleischer. Doch auch er setzt letztlich aufs „erste Gebot“ im Mietshaus: vernünftige Absprachen. Dazu gehöre ein gutes Türschloss. „Damit Fremde gar nicht reinkommen.“

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