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Milchschaum

© dpa.

Berlin tut gut: Vielfalt als Chance

Die Mehrheit der Berliner lebt gerne hier, gerade wegen der kulturellen und sozialen Mischung – und trotz prekärer Wirtschaftslage. Berliner empfehlen auch anderen in ihre Stadt zu ziehen.

Die große Mehrheit der Berliner lebt gerne in dieser Stadt. Die objektiv schwierige Lage in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt nehmen sie nicht als aussichtslos wahr. Auch die Zugezogenen fühlen sich wohl und nicht ausgegrenzt. Dabei werden die Spannungen zwischen den Berlinern unterschiedlicher Herkunft, verschiedener Kulturen und Hautfarben sowie abweichender Lebensentwürfe und Wertesysteme eher positiv als negativ empfunden. Denn die Mehrheit der Berliner kann ihren individuellen Lebensstil in ihrem Kiez oder ihrer Szene ausleben, sich dabei aber zugleich mit der Stadt und ihrem vitalen „Mythos“ identifizieren.

Das sind weitere Ergebnisse der Hertie-Studie zu Berlin, über deren Kernaussagen der Tagesspiegel gestern berichtete. Befragt hatten die Verfasser der Studie 2000 Berliner, die einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung wiedergeben, versichern die Forschungs-Beiräte Michael Zürn und Klaus Hurrelmann. Mit der Studie werde insofern „Neuland“ betreten, als den Berlinern „aufs Maul geschaut“ worden sei: Die Forscher fragten sie nach ihrer „subjektiven“ Wahrnehmung der Stadt und ihrer persönlichen Lage und stützten sich dabei nicht, wie andere Berlin-Studien, allein auf statistische Daten.

Der Studie zufolge wird die Stadt von den Berlinern zwar „als Flickenteppich“ wahrgenommen, der trotz der „enormen sozialen und kulturellen Unterschiede“ aber nicht auseinanderreißt. „Deshalb wird die kulturelle Vielfalt als Bereicherung und Gewinn für das eigene Leben bewertet“, so Michael Zürn. Und weil die eigentlich getrennten Lebenswelten in der Stadt als durchlässig wahrgenommen würden, könnten die Berliner die „enormen sozialen Differenzen“ aushalten.

Positive Stimmung trotz schlechter wirtschaftlicher Ausgangslage

In Zahlen ausgedrückt: Fast 20 Prozent der Bewohner leben von Transferleistungen und nur 42 Prozent sind erwerbstätig und können von ihrer Arbeit leben. Diese „objektiv ungünstige Ausgangslage“ stehe eine „subjektiv sehr gute Stimmung“ gegenüber. Dies erklären die Forscher einerseits mit dem Zuzug junger, gut qualifizierter Arbeitskräfte aus Westeuropa – sie prägen das Zentrum der Stadt. Von ihnen sind 92 Prozent euphorische Neuberliner: Sie fühlen sich sehr wohl in der Stadt und empfehlen sogar anderen hierher zu ziehen.

Nicht ganz so euphorisch, aber immerhin noch eine Mehrheit der Zugezogenen aus Afrika und dem islamischen Kulturkreis fühlt sich ebenfalls wohl in Berlin. Diese vergleichen vor allem ihre wirtschaftliche Lage in der früheren Heimat mit der in Berlin – und ziehen ein positives Fazit. Dazu tragen allerdings auch die Begegnungen mit anderen Berlinern bei, weil in deren „Selbstbild“ die Vielfalt der Kulturen und Weltanschauungen tief verankert ist. Deshalb bewerten fast drei Viertel aller Migranten und Deutschen ihre Kontakte untereinander als gut oder sehr gut. Denn zum Selbstverständnis der Berliner gehört es, „weltoffen, international, europäisch zu sein“, so Zürn.

Das Fazit der Forscher: Die Offenheit der Stadt für Lebensentwürfe, die Durchlässigkeit zwischen den Lebensstilen und Kiezen begreift die Mehrheit der Berliner als Chance. Berlin biete deshalb ein größeres „Kreativitätspotenzial“ als jede andere deutsche Stadt.

Die Hertie-Berlin-Studie gibt es im Netz www.hertie-berlin-studie.de oder in Buchform: Hofmann und Campe, 16,95 Euro.

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