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Berlin: Berlin- und Bezirksredaktion: Telefon 26009-896, Fax 26009-415 Richter kippen Haushalt – Finanzsenator freut sich

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts erlässt der Senat eine sofortige Etatsperre. Sarrazin fühlt sich für Berlins Klage in Karlsruhe bestätigt

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Nach der Niederlage vor dem Berliner Verfassungsgericht hat der Senat mit sofortiger Wirkung eine Haushaltssperre erlassen. CDU, Grüne und FDP hatten erfolgreich dagegen geklagt, dass die Neuverschuldung in den Jahren 2002/2003 über den Investitionsausgaben liege. Trotzdem ist nicht nur die Opposition, sondern auch der Senat mit dem Urteil zufrieden.

„Es zeigt, dass am Konsolidierungskurs kein Weg vorbei führt“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gestern nach einer Sondersitzung des Senats. Leistungsvorsprünge, die Berlin im Vergleich mit anderen Ländern noch habe, müssten weiter abgebaut werden. Das Urteil bestätige auch, dass Berlin eine Bundeshilfe benötige. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nannte die Entscheidung der Berliner Verfassungsrichter „fantastisch“. Sie liege ganz auf seiner Linie.

Das Gericht begründete sein Urteil so: Staatsschulden seien „zukunftsbelastende Einnahmen“, die nicht höher sein dürften als die Ausgaben mit „zukunftsbegünstigendem Charakter“. Damit sind die öffentlichen Investitionen gemeint. Diese Verfassungsregelung diene dazu, künftige Generationen vor „unbeschränkter Vorwälzung staatlicher Lasten“ zu schützen. Diese Kreditobergrenze dürfe nur überschritten werden, um eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren.

Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Konjunkturflaute in Berlin zweifelte das Gericht nicht daran, dass das wirtschaftliche Gleichgewicht „ernsthaft und nachhaltig gestört ist. Dies habe der rot-rote Senat im Haushaltsgesetz für 2002/03 auch begründet. Aber: Die Regierung habe nicht dargelegt, in welche arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur „Störungsabwehr“ die Kredite fließen sollten. Eine zusammenhängende, durch Daten unterlegte Darstellung fehle.

Das Verfassungsgericht wies den Senat noch auf eine zweite, ungeschriebene Ausnahmeregelung hin. Eine Überschreitung der Kreditgrenze sei zulässig, „wenn sich ein Bundesland in einer extremen Haushaltsnotlage befindet“. Denn ein solches Land sei überhaupt nicht in der Lage, seine Ausgaben durch andere Einnahmen als Kredite vollständig zu decken.

Selbst wenn ein Notlage-Land bundesstaatliche Hilfen vor dem Bundesverfassungsgericht einklage, vergehe bis zur Entscheidung nicht unerhebliche Zeit und es bleibe bis dahin nichts anderes übrig, als übermäßig hohe Kredite aufzunehmen. Der Senat habe es allerdings versäumt, sich bei der Haushaltsaufstellung 2002 auf die extreme Haushaltsnotlage zu berufen und darzustellen, dass ohne eine überhöhte Staatsverschuldung die rechtlich vorgeschriebenen Ausgaben nicht finanzierbar seien.

Diese Entscheidung des Landesverfassungsgerichts hat Auswirkungen auf künftige Haushalte. Finanzsenator Sarrazin kündigte gestern an, die gesetzlichen Begründungen für den Doppelhaushalt 2004/05 nun „mit Hochdruck“ zu überarbeiten. Das werde in den nächsten zwei Wochen geschehen. Ob der Etat wie geplant im Dezember beschlossen werde, müsse das Abgeordnetenhaus entscheiden. Die Opposition forderte bereits gestern, die laufenden Haushaltsberatungen auszusetzen. Der Senat müsse erst ein Haushalts-Sanierungsprogramm vorlegen.

In den Jahren 2002 und 2003 hat die SPD/PDS-Koalition neue Kredite von insgesamt 10,862 Milliarden Euro aufgenommen. Dem standen Investitionsausgaben von lediglich 4,22 Milliarden Euro gegenüber. In keinem anderen Bundesland ist die Überschuldung so groß. Das gestrige Urteil, so Finanzsenator Sarrazin, mache es denjenigen schwer, „die mehr Geld vom Senat haben wollen“. Für „politische Spielchen“ der Opposition sei nun keine Zeit mehr, ergänzte Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS).

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