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© dpa

Berliner CDU: Duell über Bande

Ex-CDU-Chef Schmitt kämpft um seinen Wahlkreis. Nicht alle in der Partei wären froh, wenn er gewinnt.

„Fernduell“ nennen sie es in der Berliner CDU: Gewinnt Monika Grütters ihr Bundestagsmandat als Spitzenkandidatin der Berliner CDU – oder holt Ingo Schmitt seinen Wahlkreis in Charlottenburg-Wilmersdorf direkt? Grütters gegen Schmitt – das hat was von einer politisch-persönlichen Auseinandersetzung, Folge einer lang gepflegten Polit-Feindschaft im Berliner Westen. Die stellvertretende Landesvorsitzende gegen den gestürzten Vorgänger. Die Liberale gegen den Mann, von dem heute viele sagen, es sei ihm vor allem um sich gegangen. Schmitt hat in der Berliner CDU nicht mehr viele Freunde.

Prickelnd wird der CDU-interne Zweikampf durch das Wahlsystem: Gewinnt Schmitt seinen Wahlkreis direkt, muss Grütters um ihren Sitz im Bundestag bangen. Der Verlierer des jüngsten CDU-internen Machtkampfs wäre der Gewinner der Wahl. Die Bundestagsabgeordnete hatte Schmitts Herrschaftsgebiet, das auch ihre politische Heimat war, 2005 verlassen. Zum zweiten Mal tritt sie in Marzahn-Hellersdorf als Kandidatin an.

Sie ist, weil sie gegen die Linke Petra Pau kaum Chancen hat, auf dem ersten Platz der Landesliste abgesichert worden. Im Wahlkampf in Marzahn-Hellersdorf setzt sie auf ihr Ansehen als Fachfrau für Kultur- und der Bildungspolitik. Sie hofft auf die Stimmen der Bürgerlichen im Bezirk und der Familien, die ein Haus gebaut und zugezogen sind. Sie steht für einen neuen Anfang in der Berliner CDU.

Doch möglicherweise nutzt ihr der prominente Listenplatz nichts. Das liegt am Wahlrecht: Direktmandate haben Vorrang. Die Listenkandidaten kommen in dem Maß zum Zuge, wie eine Partei Zweitstimmen gewonnen hat. Mehr als fünf Bundestagsmandate wird die Berliner CDU kaum gewinnen – und diese Mandate könnten sämtlich von Direktbewerbern einschließlich Schmitt geholt werden. In diesem Fall haben die Listenkandidaten das Nachsehen.

Das wäre, so sehen das viele in der CDU, ein bizarrer Effekt des Machtkampfes, der vor einem Jahr begonnen hat. Ziemlich überraschend hatte der damalige Fraktionschef Friedbert Pflüger angekündigt, er wolle Schmitt als Landeschef ablösen. In den folgenden Auseinandersetzungen stürzte erst Pflüger, dann Schmitt. Den letzten Stoß versetzte Schmitt auf dem Nominierungsparteitag im November für die Bundestagswahl die Neuköllner Wahlkreis-Kandidatin Stefanie Vogelsang. Sie machte Schmitt kess und ohne Vorwarnung den dritten Platz auf der Landesliste streitig – und gewann.

Doch Schmitt kämpft. Ferien hat er nicht gemacht, derzeit ist sein Terminkalender prallvoll. Er weiß, wie er die West-Berliner Stammwähler ansprechen muss. Mal macht er sich zum Anwalt von „Otto Normalverbraucher“, dann fordert er: „Bahnhof Zoo wieder ans Netz“ – womit gemeint ist, dass am Zoo wieder ICEs und Fernzüge halten sollen. Die Ku’damm-Bühnen erhalten, die Deutschland-Halle retten – Schmitt spürt, woran die Leute im Berliner Westen hängen, er hört, dass vielen Berlinern auch in der Bundespolitik Berlin über alles geht, und dafür steht er, da ist er für viele glaubwürdig. Auf seinem Faltblatt werben die Schauspielerin Anita Kupsch und der Air-Berlin-Chef Joachim Hunold für ihn.

Der Mann, der seit mehr als zwanzig Jahren Parteipolitik macht, kann einstecken bis zum Anschein völliger Schmerzfreiheit. Seit Monaten kursiert in der CDU das Scherzwort, in Schmitts Wahlkreis gelte auch für Christdemokraten die Devise „Beide Stimmen für Frau Merkel“, wobei die Erststimmen-Merkel Schmitts SPD-Gegenkandidatin ist und Petra mit Vornamen heißt. Nach außen hin tun seine Parteifreunde mit, wenn Schmitt seine Flyer verteilt. Doch ihre Wahlkampf-Eindrücke sind zwiespältig, und das vermitteln sie auch. Einer erzählt, man höre Bemerkungen von der Art „Wie muss man wählen, damit man den nicht wählt?“ Die Situation, so heißt es, sei nicht angenehm für die Wahlkämpfer, von denen viele jahrelang mit Schmitt gehadert haben. Eine CDU-Frau ärgert sich, ausgerechnet er werbe mit dem Spruch „gradlinig, verlässlich, kompetent“.

Die Politik, das weiß Schmitt besser als viele andere, ist ein harter Beruf. Er geht nach außen hin heiter mit der prekären Situation um, in der er ist. Der große Mann im blauen Blazer, der von Herzen West-Berliner ist, verteilt seine Flyer, auf denen er als Flugzeugführer posiert. Den Kugelschreiber, der von anderen Kandidaten nur auf Nachfrage herausgegeben wird, gibt es bei Schmitt gleich mit dazu. Ausgerechnet jetzt zeigt er im Wortgeplänkel mit den Leuten, dass er ironisch und humorvoll sein kann. Wenn er Straßenwahlkampf macht, bekommt er Zuspruch von Leuten, für die nichts über ihren Ingo Schmitt geht. Eine alte Dame fragt ihn, wie es nur kommen konnte, dass „diese Vogelsang“ den Listenplatz bekam, den er wollte. „Das war so die Zeitstimmung“, antwortet Schmitt ganz trocken.

Ob die Stimmung gegen Schmitt nur „war“ oder noch ist, das wird sich erst am späten Abend des Wahlsonntags zeigen. Schmitt will ihn fernab von den Großen und Wichtigen der CDU im Rathaus Charlottenburg verbringen, dort, wo er zu Hause war und ist. 

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