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BERLINER Chronik: 30. Januar 1988

Vor 25 Jahren schrieben wir über Nazis, Hakenkreuze, Granaten, Grüne Woche.

Unter dem Motto „FDJ-Aufgebot DDR 40“ erlässt der Zentralrat der FDJ einen Aufruf an alle Jugendlichen zur „würdigen Vorbereitung“ auf den 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989. In einem Brief an das Staatsoberhaupt Erich Honecker versichert der Vorsitzende Eberhard Aurich, die FDJ setze „alle Kräfte für die Stärkung unseres Arbeiter- und Bauernstaates“ ein. „Die DDR ist unser sozialistisches Vaterland. Deshalb gehören ihr unsere Liebe, unsere Treu, unsere Tat.“

Der steinerne Adler aus der Nazizeit über dem Portal des Amtsgerichts Wedding wird nicht, wie vom Bezirksamt erwogen, durch einen zeitgemäßen ersetzt. Der um Stellungnahme gebetene Justizsenator Rupert Scholz meinte in Absprache mit Landeskonservator Helmut Engel, die Entfernung sei nicht nötig. Da das Hakenkreuz 1945 entfernt wurde, sei der Adler mit dem Lorbeerkranz kein Nazisymbol mehr, sondern nur ein historisches Dokument. Laut Engel würde der Austausch die Nazidiktatur bagatellisieren und damit die Geschichte verfälschen.

Nach Darstellung der Ost-Presse soll die Zahl der Geldautomaten in Ost-Berlin bis zum Jahresende von 43 auf 100 steigen. Die Sparkasse bilde Personal für die Wartung und Reparatur aus, denn die Kapazität des Herstellers reiche dafür nicht aus. Auch gebe es Klagen über defekte Automaten.

Ost-Berliner Arbeiter entdecken am Morgen bei „Rekonstruktionsarbeiten", wie man in der DDR größere Reparaturen nennt, auf dem Dachboden einer Schule im Bezirk Prenzlauer Berg eine Granate aus dem Zweiten Weltkrieg. Jahrzehntelang lag der Blindgänger unbemerkt unter dem Fußbodenbelag. Die Schule wird vorsorglich vorübergehend gesperrt, die Granate durch den Munitionsbergungsdienst der Polizei abtransportiert.

Am Abend eröffnen Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen im ICC die Grüne Woche unterm Funkturm. In den 30 Ausstellungshallen am Funkturm sind 51 Länder mit 1372 Ausstellern vertreten, aber niemand aus dem Ostblock. Gerechnet wird mit 450 000 Besuchern. Beim Rundgang der Prominenz ist am nächsten Vormittag Bundespräsident Richard von Weizsäcker, vormals Regierender Bürgermeister, der Star. Besucher begrüßen ihn echt berlinisch: „Bravo, dass Sie gekommen sind!“. Und: „Der Mann ist in Ordnung!“. Oder auch: „Mensch Richie, prima!“ Brigitte Grunert

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