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Der Schlepper Anna.

© schiffskontor

Berliner Eventbranche: Bund legt Salonschiffe an die Kette

Eine neue Verordnung erlaubt nur noch den klassischen Fahrgastschiffen die "Beförderung von Personen". Alte Ausflugskähne und Partyflöße haben das Nachsehen. 200 Arbeitsplätze auf 50 Schiffen sind bedroht – und das Stadtbild.

Berlins kreative Szene wird weltweit geschätzt, doch das Bundesverkehrsministerium gehört offenbar nicht zu ihren Anhängern. Seit Jahresbeginn gilt eine neue Verordnung, die das Betreiben von historischen Salonschiffen und großen Partyflößen auf Spree und Landwehrkanal praktisch unmöglich macht. Rund zwei Dutzend Firmen mit 50 Schiffen sind damit in ihrer Existenz bedroht. Nach Angaben des Wirtschaftverbandes Wassersport stehen rund 200 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Und auch Berlins Stadtbild könnte sich ändern.

Die Zielrichtung der neuen Verordnung geht aus einem Rundschreiben des Binnenschifffahrtsverbandes hervor. Die Änderung war demnach erforderlich geworden, „weil insbesondere im Raum Berlin und Potsdam immer mehr Gruppenbeförderungen mit Sportbooten angeboten wurden“. Und weiter: „Wir sind dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sehr dankbar, dass jetzt eine wirksame Maßnahme gegen diese sogenannte verdeckte Fahrgastschifffahrt ergriffen wurde.“

Salonschiff und Flöße, die die umfangreichen Sicherheitsauflagen für Fahrgastschiffe nicht erfüllen, konnten bisher als „Sportboote“ für die Beförderung von Personen zugelassen werden. Diese Möglichkeit fällt mit der neuen Verordnung weg. Allerdings gibt es wie immer Ausnahmeregelungen „zur Vermeidung von unbilligen Härten“. Deshalb können Sportboote nach der alten Regelung weiterbetrieben werden, aber nur „in Fahrtgebieten, in denen keine oder nur in geringem Umfang Fahrgastschifffahrt betrieben wird“. Bei diesen Formulierungen drängt sich durchaus der Verdacht auf, dass die Verordnung vor allem darauf abzielt, lästige Konkurrenz loszuwerden.

„Das ist eine große Sauerei und das Fieseste, was ich je erlebt habe“, sagt ein Brancheninsider. Der Staat habe sich von Lobbyisten einspannen lassen. Bundesverkehrsministerium und Binnenschifffahrtsverband haben bis Redaktionsschluss nicht auf Anfragen reagiert. Jürgen Loch, Chef der Berliner Stern- und Kreisschifffahrt, wollte sich nicht äußern.

Kirk Schoormann, der mit seinem „Schiffskontor“ etwa sechs Salonschiffe betreibt, hat bereits ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Kanzlei Köhler & Klett kommt zu dem Schluss, die Verordnung sei „verfassungsrechtlich angreifbar“. Es sei eine „politische Entscheidung“ getroffen worden, die „dem Verordnungsgeber nicht zusteht“.

Schoormann hat pro Schiff bereits zehn Verträge für Hochzeiten und Firmenfeiern in der kommenden Saison abgeschlossen. Doch seine Schiffe liegen jetzt an der Kette. Er könnte sie nur noch ohne Schiffsführer vermieten, was wenig Sinn macht. „Ich bin meiner geschäftlichen Basis beraubt.“ Seit Jahren sei in der Branche bekannt, dass die wachsende Konkurrenz der Partyboote der Fahrgastschifffahrt ein Ärgernis sei. Eine Aufrüstung der Boote zu Fahrgastschiffen sei unrealistisch. Die alten Schiffe hätten zu viele Holzaufbauten. Auch das Solarschiff „Solon“ dürfte unter den neuen Bedingungen nicht mehr vermietet werden.

Betroffen ist auch „Hauptstadtfloß“-Gründer Toni Kaiser, der noch im vergangenen Jahr ein zweites Partyfloß „für eine sechsstellige Summe“ angeschafft hat. Bis zu 60 Personen kann er mitnehmen. „Wir haben 30 Buchungen für dieses Jahr“, sagt Kaiser. Die Flöße erfüllten schon viele Auflagen von Fahrgastschiffen, aber eben nicht alle.

Seit 20 Jahren habe es keinen Unfall gegeben, sagt Max Hiller vom Wassersportverband. Die Vielfalt auf Spree und Havel werde zugunsten der „schwimmenden Autobahnraststätten“ der Stern- und Kreis-Flotte zerstört.

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