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Mit Folklore wird am Checkpoint Charlie an die Alliierten erinnert.

© Kai-Uwe Heinrich

Berliner Geschichte: Hier endet der alliierte Sektor

Ob „Maison de France“ am Ku’damm oder Russen-Museum in Karlshorst: An vielen Orten der Stadt bestimmten einst Soldaten das Bild. Und fast überall kehrte nach dem Abzug 1994 neues Leben ein. Ein Spaziergang.

Gar nicht so leicht zu finden, die russischen Freunde. Vom Bahnhof Karlshorst geht es durch idyllische und leere Sträßchen, so idyllisch und leer, dass sich weit und breit niemand findet, den man fragen könnte. Irgendwann weist dann doch ein Schild den Weg zum Deutsch-Russischen Museum, von dem im öffentlichen Bewusstsein doch nicht mehr so ganz klar war, ob es überhaupt noch da ist.

Berühmter als das Museum an sich ist sein Kapitulationssaal. Wilhelm Keitel hat hier am 8. Mai 1945 die bedingungslose deutsche Niederlage eingestanden und damit den Zweiten Weltkrieg auch offiziell beendet. Am Mittwoch, knapp 68 Jahre später, schaut Kulturstaatsminister Bernd Neumann in Karlshorst vorbei, als Ehrengast zur Wiedereröffnung des Deutsch-Russischen Museums nach einjährigem Umbau. Das ist ein interessantes, wenn auch unbeabsichtigtes Timing. Am Tag zuvor hat das Maison de France am Kurfürstendamm seine baldige Schließung angekündigt. Die Franzosen gehen, die Engländer sind schon längst weg und von den Amerikanern ist auch nicht mehr viel zu sehen.

Schwer vorstellbar, dass Berlin mal eine von vier Mächten besetzte Stadt war, und das ein halbes Jahrhundert lang. Russen und Amerikaner, Briten und Franzosen – alle haben sie das Berliner Stadtbild beeinflusst, in ihren vier Sektoren und darüber hinaus. Eine Spurensuche knapp zwanzig Jahre nach dem Abzug der alliierten Truppen.

Die Amerikaner prägten den Südwesten Berlins

Den breitesten Raum in den Zeiten der Teilung nahmen die Amerikaner ein. Über Jahrzehnte prägten sie den Südwesten Berlins, mit ihren Bars und Clubs und Kasernen, die natürlich nicht Kasernen hießen, sondern Barracks. Fester Bestandteil des öffentlichen Lebens waren auch das Deutsch-Amerikanische Volksfest auf der Truman Plaza an der Clayallee, Amerikahaus und Amerika-Gedenkbibliothek. (Auch wenn die Bibliothek am Blücherplatz nie eine Kultureinrichtung der Amerikaner war, die hatten sie nur bezahlt.) Weltweite Bekanntheit genoss der Flughafen Tempelhof, er trug in der Alliierten-Sprachregelung allerdings den offiziellen Namen Tempelhof Air Base. Und am mit Trümmern aufgeschütteten Teufelsberg lauschten die Spezialisten der National Security Agency den Funkverkehr bis weit nach Osteuropa ab.

Die Abhöranlagen rotten seit 1991unbeachtet vor sich hin. In den einstigen Barracks von Steglitz und Zehlendorf sind komfortable Eigentumswohnungen entstanden. Das Amerika-Haus an der Hardenbergstraße bietet keine Kultur- und Informationsveranstaltungen mehr an. Egal, bekannt war das Haus mit der bunten Mosaikfassade vor allem, weil die rebellischen Studenten dort so gern rebellierten, gegen Johnson, Nixon oder Reagan. In ein paar Monaten nun wird die Fotogalerie C/O Berlin ins Amerikahaus einziehen, und welchen Rebellen interessiert das schon? Aus der Tempelhof Air Base ist das weltgrößte Biotop mit angeschlossenen Start- und Landebahnen geworden. Und das Deutsch-Amerikanische Volksfest gibt es noch immer, aber nicht mehr am alten Standort neben dem Alliiertenmuseum. Gefeiert wird jetzt an der Heidestraße, im ehemals britischen Sektor.

Von den Briten war eher wenig zu sehen

Von den Briten war zu Viermächtezeiten eher wenig zu sehen. Sie zogen sich gern zurück und blieben unter sich. Hinter Zäunen und Mauern oder im British Officers’ Club an der Thüringer Allee, wo vor dem Krieg der Berliner Schlittschuh-Club residiert hatte. Der Flugplatz Gatow, nach dem Krieg von der Roten Armee im Tausch gegen ein Stück Staaken erworben, war für die Berliner Zivilbevölkerung tabu. An der Charlottenburger Chaussee bauten sich die British Forces für ihre Manöver sogar eine eigene „Fighting City“.

Heute übt dort im Ruhlebener Schanzenwald die Berliner Polizei, auch das einst weitgehend von den Briten besetzte Olympiagelände ist längst in den Besitz des Senats übergegangen. Auf den Pisten von Gatow wachsen Einfamilienäuser. Der Offiziersklub an der Thüringer Allee macht sich als International Club Berlin um das Wohl der höheren Gesellschaft verdient. Und im früheren Kinosaal der britischen Streitkräfte am Theodor-Heuss-Platz betreibt seit ein paar Jahren Dieter Hallervorden sein Kabarett-Theater „Die Wühlmäuse“.

In allen vier Sektoren haben die Alliierten Berlin beeinflusst

Ein Mini-Eiffelturm kündet immer noch von der Präsenz der Franzosen

Von der alliierten Präsenz im Norden Berlins, in Wedding und Reinickendorf, zeugen heute noch die blauen Straßenschilder in den Wohnquartieren rund um den Flughafen Tegel. In der Rue Montesquieu oder der Avenue Charles de Gaulle wohnten früher mal französische Soldaten. Vor dem Centre Français, der kleinen Schwester des Maison de France an der Müllerstraße, kündet immer noch ein Mini-Eiffelturm vom Ruhm der Grande Nation.

Weitgehend unbemerkt, aber doch großflächig vorhanden ist die Präsenz der untergegangenen Sowjetunion. Das liegt schon mal daran, dass sich die Bundesrepublik gegenüber dem Rechtsnachfolger vertraglich verpflichtet hat, die sowjetischen Ehrenmale in Tiergarten, Treptower Park und Schönholzer Heide zu pflegen und erhalten.

Und dann ist da noch Karlshorst.

In Karlshorst residierten die Russen

Ah, Karlshorst ... Ein mystischer Name, er klingt für die Russen wie Arlington für die Amerikaner. Der nördliche Teil der einstigen Villenkolonie war mal, von 1945 bis 1962, eine Art sowjetische Exklave in Berlin, bis in die neunziger Jahre hinein wohnten hier russische Soldaten und Zivilisten und ihre Familien. Die letzten Soldaten zogen 1994 ab, aber ein Besuch in Karlshorst gehört für russische Touristen bis heute zum Pflichtprogramm. Einmal dort stehen, wo Wilhelm Keitel die bedingungslose Kapitulation unterzeichnete. Nach einjähriger Unterbrechung ist das jetzt wieder möglich, seit der Neueröffnung des Deutsch-Russischen Museums am Mittwoch. Am Tag, nachdem Frankreich seinen Rückzug vom Kurfürstendamm verkündete.

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