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Berlin: Berliner haben lange Finger

Nur in Bremen gibt es mehr Ladendiebe. Das Personal klaut auch

„Ich hole mir nur, was mir zusteht“, sagen viele Ladendiebe. Oder: „Die großen Ketten haben genug Geld“. Einige sehen das Stehlen als einen „prickelnden Sport“, wie eine Berliner Sicherheitsfirma bei Befragungen ertappter Täter herausgefunden hat. Nach der Polizeistatistik liegt Berlin mit 41364 erfassten Delikten im Jahr 2002 an zweiter Stelle aller Bundesländer – nur in Bremen gab es im Verhältnis zur Einwohnerzahl noch mehr Ladendiebstähle. Immerhin erwartet die Berliner Polizei wieder einen Rückgang in der Statistik für 2003. Anders bei Raubüberfällen auf Geschäfte – hier ist die Tendenz steigend. Allerdings ist Raub auch kein Massendelikt wie Diebstahl: 629 Raubüberfälle wurden 2002 gezählt.

Beliebtestes Diebesgut sind Kondome, Energiesparlampen, Rasierklingen und Schreibwaren. Die Dunkelziffer ist hoch: „Auf jeden erfassten Ladendiebstahl kommen wenigstens 50 nicht angezeigte Fälle“, schätzt Kriminaldirektor Winfried Roll. Das liegt nicht nur an unbemerkten Taten. Beträgt der Warenwert nur wenige Euro, verzichten viele Händler auf die Anzeige. Ertappte Diebe erhalten nur Hausverbot und müssen vielleicht noch eine Bearbeitungsgebühr oder „Fangprämie“ zahlen.

Wie man sich schützt, erfuhren jetzt rund 70 Manager von Firmen wie Edeka und Karstadt bei einem Sicherheitstag. Eingeladen hatten die Einzelhandelsverbände von Berlin und Brandenburg, die Landeskriminalämter und der Tagesspiegel als Medienpartner. Es ging nicht nur um Kameras, Spiegel oder elektronische Warensicherung. Als „bester Schutz“ habe sich aufmerksames Verkaufspersonal erwiesen, betonte LKA-Experte Roll. So könnten Mitarbeiter „als verdächtig empfundene Kunden unaufdringlich ansprechen, indem sie ihnen Hilfe anbieten“.

Die meisten Handelsfirmen schulen regelmäßig ihre Mitarbeiter. Bei Karstadt läuft gerade eine Kampagne „Kostenlos ist chancenlos“ an. „Wir sehen eine steigende Tendenz bei Diebstählen“, sagt Karstadt-Organisationsleiter Bertold Burkard. Zu den höheren Fallzahlen trage auch bei, dass „mehr aufgedeckt“ werde. Karstadt benutzt unter anderem elektronische Mini-Etiketten, die kaum noch aufzuspüren sind. „Niemand weiß, ob die Ware gesichert ist“, so Burkard.

Für kostensparende Schulungen am Computer wirbt die Firma IMCo aus Berlin. Ein teils „spielerisches“ Programm enthält Videofilme, die verdächtige Situationen im Supermarkt zeigen. Mehrere Reaktionen stehen zur Wahl. Was soll die Kassiererin tun, wenn sie in einer Zeitung eine versteckte Zeitschrift entdeckt? In diesem Fall solle man besser „nichts sagen“ und einfach für beide Waren kassieren, empfiehlt IMCo-Chef Georg Hachmann. Schließlich könne der Kunde behaupten, jemand anders habe die Zeitschrift in die Zeitung gelegt. Doch bei einem eindeutigen Diebstahl gelte immer: „Anzeigen, um die Erfolgskette zu durchschlagen!“

Oft fallen Diebstähle erst bei der Inventur auf. Durchschnittlich 1,5 Prozent des Umsatzes beträgt die so genannte Inventurdifferenz. Experten machen Ladenpersonal für ein Drittel des Schwundes verantwortlich. Ein einzelner Mitarbeiter kann großen Schaden anrichten, wenn er über lange Zeit hinweg Geld oder Waren veruntreut. Manipulationen mit Bons und andere Tricks von Kassierern werden manchmal mit Überwachungskameras aufgedeckt.

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