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Berliner Hotellerie: Tourist in der Heimat

48 Berliner Hotels beherbergten am Wochenende 4000 Gäste aus Berlin und Brandenburg. Bei „Erlebe Deine Stadt“ durften Luxushäuser zum Sonderpreis bewohnt werden – Dinner inklusive.

Sonntagmittag saß Dominika Golla im Foyer des Schlosshotels im Grunewald und stieß mit ihrem Lebensgefährten Philip Ibrahim auf einen außergewöhnlichen Hotelaufenthalt an: Normalerweise habe sie selbst in teuren Häusern „immer etwas auszusetzen“, sagte die 31-jährige Kreuzbergerin, die sich als Projektmanagerin für Konferenzen in dieser Branche auskennt. In ihrem Wahl-Domizil aber fand sie alles perfekt – zur Freude ihres 32-jährigen Partners, der ihr die Übernachtung im Fünfsternehotel zu Weihnachten geschenkt hatte. Ausnahmsweise hatte ihn das Doppelzimmer nur 99 Euro gekostet.

Das Paar gehörte am Wochenende zu rund 4000 Berlinern und Brandenburgern, die in 48 hiesigen Hotels zum Sondertarif gastierten. Zum zweiten Mal hatten Partnerhotels der Tourismusgesellschaft Visit Berlin speziell Besucher aus der Region zum Probewohnen eingeladen. Unter dem Motto „Erlebe Deine Stadt“ waren Abendessen und zum Teil auch Konzerte und Partys inbegriffen. 2011 verzeichneten die Hotels der Stadt nach vorläufigen Schätzungen etwa 22 Millionen Übernachtungen – gut eine Million mehr als 2010. Im Gegensatz zu diesen Besuchern aus aller Welt mussten die Berliner jetzt natürlich keinen großen Aufwand für ihre Entdeckungsreise betreiben: Viele kamen mit kleinen Rollkoffern per Bus und Bahn. Manche setzten danach gar keinen Fuß mehr vor die Tür, auch wegen des ungemütlichen Wetters.

Im Charlottenburger Hotel Concorde erzählte eine Teilnehmerin von Gästen, die sich vielleicht aus Nervosität schon vor dem Dinner drei Cocktails gönnten. Und rein äußerlich entsprachen längst nicht alle dem Bild eines zahlungskräftigen Luxushotelgastes – aber eine solche bunte Mischung war ja durchaus gewollt.

Nicht zuletzt, weil Berlins Hotellerie sich den Bürgern als „wichtigster Wirtschaftsfaktor“ der Stadt präsentieren möchte. Die wachsende Touristenfeindlichkeit unter Bewohnern der Innenstadtbezirke, über die seit Frühjahr 2011 diskutiert wird, hat der Aktion zusätzliche Bedeutung verschafft. Als Kreuzbergerin ist auch Dominika Golla genervt von lärmenden Massen junger Touristen in ihrem Kiez am Mehringdamm. „Es wird immer voller“, sagt sie und zieht immer öfter für einige Wochen in die Moabiter Wohnung ihres Lebensgefährten. Der beurteilt die Lage anders: Philip Ibrahim ist Gastronom und freut sich über jeden Kunden.

Fünf weitere Luxushotels hatten Berliner eingeladen, darunter das Mandala am Potsdamer Platz. Dort genossen Cornelia (45) und Sebastian Ibbeken (48) aus Lichterfelde ihren Aufenthalt: mit Wellnesstraining, Saunabesuch und einem ihrer Meinung nach „hervorragenden Drei-Gänge-Menü“. In einem Berliner Hotel hatten sie noch nie übernachtet. „Aber mich hat die Absurdität der Idee gereizt“, sagte Sebastian Ibbeken. Auf Reisen übernachten der Geophysiker und seine Frau eher „auf dem Campingplatz oder dem Segelboot“, aber diesmal sollte es ein Luxushotel sein. Beide lobten das moderne Innendesign und den Blick auf das Sony-Center. Auch Prominente checkten im Mandala ein, darunter ein ehemaliger Berliner Senator.

Beim Buchungsstart im November war das Reservierungssystem von Visit Berlin dem Ansturm zeitweilig nicht gewachsen gewesen. Aber auch die steigende Zahl beteiligter Hotels beweise den Erfolg, sagte ein Sprecher. Deshalb gehe die Aktion nun jährlich weiter.

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