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Berliner Italiener: Bange Stunden nach dem großen Beben

Rund 12.000 Italiener leben offiziell in Berlin. Sie alle haben das Erdbeben in den Abruzzen und seine Folgen mit Schrecken verfolgt - und fürchten um Familie, Freunde und Kollegen.

„Ich habe den ganzen Tag bei meiner Familie angerufen“, sagt Patrizio Beddini. „Erst war niemand zu erreichen. Aber jetzt haben wir Gewissheit: Alles okay, alle am Leben.“ Beddini arbeitet als Koch im „Ristorante Sale e Tabacchi“ an der Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg – und die Familie seiner Frau Paola Persia lebt in den Abruzzen, in der Erdbebenregion. „Es ist schlimm, ich weiß von Freunden, die haben alles verloren.“

In Berlin sind nach offiziellen Angaben rund 12 000 Italiener zu Hause, viele von ihnen Nachkommen der ersten Gastarbeitergeneration. Die Italiener lieben Berlin und viele Berliner ihr Urlaubsland Italien – so erreichten die Botschaft der Republik Italien an der Hiroshimastraße 1 in Tiergarten gestern zahlreiche E-Mails uns Anrufe.

„Ich bin dankbar für die zahlreichen Bekundungen der Solidarität, die ich von deutschen Bürgern bekomme. Es waren sehr viele, die in dieser Stunde sich an die Botschaft gewandt haben, um ihre Anteilnahme an der Trauer des italienischen Volkes auszudrücken und ihre Unterstützung anzubieten“, sagt Botschafter Antonio Puri Purini. „Wie alle meine Landsleute bin ich zutiefst erschüttert.“

Auch Massimo Mannozzi, Betreiber des Ristorante Bacco in Charlottenburg, ist in großer Sorge. „Ich versuche schon den ganzen Tag, meine Ansprechpartner dort in der Region zu bekommen, aber es ist niemand zu erreichen.“ Mannozzi besitzt auch das Hotel Bacco in der Toscana, nahe Pisa, und für seine Gäste dort bezieht der italienische Berliner verschiedene Süßigkeiten von einer Firma aus Abruzzen. „Man weiß schon seit Jahren, dass das dort in der Region ein Problem ist“, sagt Massimo Mannozzi. „Das ist die schreckliche Natur“, sagt er. „Man muss es vielleicht zum Trost sehen: Gott will es so, man muss es so annehmen“, sagt der Gastronom, der schon seit mehr als vier Jahrzehnten in Berlin lebt.

Matteo Aniello, 29, ist noch nicht so lange Wahl-Berliner. Der junge Mann stammt aus Norditalien, es zog ihn von Bozen in die deutsche Hauptstadt, inzwischen arbeitet er als Assistent im Berliner Büro der italienischen Parlamentsabgeordneten Laura Garavini. Die Politikerin fühlt sich wohl in dieser Stadt, in der sie auch ein Wahlkreisbüro an der Schöneberger Keithstrasse 1/3 unterhält. Seine Chefin pendelt in der Regel zwischen Berlin und Rom. Gestern konnte Aniello sie kaum ans Telefon bekommen, sie saß in mehreren Sitzungen, immer wieder ging es da auch um die furchtbare Lage im Erdbebengebiet. „Ich habe keinen Fernseher, aber ich verfolge das alles online im Internet“, sagt der 29-jährige Matteo Aniello. Natürlich habe er nach Bekanntwerden des schrecklichen Bebens sofort in seinem Bekanntenkreis herumgefragt, ob jemandem etwas passiert sei – „aber zum Glück war niemand dabei“. Dennoch sei er bei diesen Bildern „sehr betroffen. Es ist ja unmöglich, nicht sensibel zu reagieren“.

In der italienischen Botschaft wartet man jetzt auf ein Signal aus Rom. „Dort entscheidet das Außenministerium, an welchem Tag europaweit die Flaggen zum Zeichen der Trauer auf Halbmast gehängt werden“, sagt Botschafts-Presseattaché Andrea Samà. Auch Kerzen wurden noch nicht entzündet, Blumen waren gestern Nachmittag noch keine vor dem Haus an der Hiroshimastraße abgelegt. „Wenn wir aber den offiziellen Trauertag wissen, werden wir auch ein Kondolenzbuch auslegen“, so Presseattaché Andrea Samà.

In jedem Falle sei „die Solidarität auch ein Zeichen der tiefen Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern“, sagt Botschafter Puri Purini. Annette Kögel

Annette Kögel

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