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Berlins Staatsanwaltschaft ist als Arbeitgeber nicht gefragt.

© Stache/dpa

Berliner Justiz: Niemand will Staatsanwalt werden

Nur wenige Bewerber wollen zur Berliner Staatsanwaltschaft – die Bezahlung ist mäßig, der Frust groß. Doch beim Justizsenator kommt die Kritik nicht an.

Von Fatina Keilani

Das klang gut: 20 neue Stellen bei der Staatsanwaltschaft ausgeschrieben, Bewerbungsfrist: 1. September 2017. Doch dann der Schreck: Bis Fristablauf gingen nur fünf Bewerbungen ein. Mittlerweile sind es immerhin 38, die den Notenanforderungen genügen, bestätigt die Justizverwaltung. „Das ist immer noch unfassbar wenig“, sagt ein Staatsanwalt bestürzt. „Man muss ja davon ausgehen, dass viele Berufsanfänger sich mehrfach bewerben, und wenn ein anderes Bundesland sie dann nimmt, kommen sie nicht zu uns.“ Anderswo werden sie besser bezahlt und haben nicht so viel zu tun.

Im Klartext heißt das: Staatsanwalt in Berlin will niemand werden. Die Arbeitsbedingungen sind mies, Technik und Ausstattung mangelhaft, Personalentwicklung gibt es nicht. Talente werden kleingehalten und verheizt statt gefördert. Vorgänge sind undurchsichtig. Warum bearbeitet etwa eine Staatsanwältin aus einer allgemeinen Abteilung den Goldmünzendiebstahl aus dem Bode-Museum vom Juni, wo es sich doch eindeutig um einen Fall der Organisierten Kriminalität handelt, bei dem es hilft, sich in den Strukturen einer bestimmten libanesischen Großfamilie auszukennen?

„In Potsdam verdient man als Staatsanwalt so viel wie hier als Oberstaatsanwalt“

Die unterdurchschnittliche Besoldung schafft zusätzlichen Frust. „In Potsdam verdient man als Staatsanwalt so viel wie hier als Oberstaatsanwalt“, sagt der eingangs zitierte Ankläger, ein anderer Staatsanwalt fügt hinzu: „Zudem weiß jeder, dass es politisch keinen Rückhalt für uns gibt, das erhöht den Frustrationsgrad.“

Eine häufige Kritik lautet, dass sich Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) für die Justiz nicht genügend interessiere und seine Schwerpunkte lieber auf Antidiskriminierung und Verbraucherschutz lege, die massiven Probleme der Justiz blieben ungelöst. „Im höheren Dienst mangelt es an allen Ecken an Personal“, beklagt ein Hauptabteilungsleiter, der öfter zusehen musste, wie seine guten Leute abgezogen wurden, und der die Nachfolger dann aufwendig einarbeiten musste.

Niemand traut sich, den Mund aufzumachen

„Wir wissen, dass es eine hohe Arbeitsbelastung gibt, aber die Kritik in dieser Heftigkeit kommt bei uns nicht an, obwohl es regelmäßige Treffen mit der Staatsanwaltschaft gibt“, sagt Behrendts Sprecher Sebastian Brux. Offenbar traut sich niemand, den Mund aufzumachen.

In einem Brief an die Mitarbeiter lobte Behrendt die Zuwächse, die er bei den Haushaltsverhandlungen erreicht hat – insgesamt 245 neue Stellen. Darunter sind zwölf Jobs bei der Senatsverwaltung, „um neue Akzente in den verschiedenen Politikfeldern setzen zu können“ – davon fünf für Verbraucherschutz, Tierschutz und den Ausbau einer „Ernährungsstrategie für Berlin“ und weitere fünf gegen Diskriminierung und für die „Initiative sexuelle Vielfalt“. Dass es dafür fünf Stellen braucht, leuchtet nicht jedem ein.

Auch die Amtsanwälte sind überfordert

Frust erzeugt es auch, wenn die Gerichte die mühsam verfassten Anklagen zum Beispiel in großen Wirtschaftsstrafverfahren jahrelang liegenlassen, wenn die Angeschuldigten nicht in Untersuchungshaft sitzen, da Haftsachen vorgehen. Später kommt es dann zu Abschlägen bei den Strafen – und zur weiteren Demotivation der Ermittler.

Ähnlich überlastet zeigen sich auch die Amtsanwälte. Bei ihnen landet der Löwenanteil der Alltagskriminalität, mehr als 400 000 Fälle pro Jahr. Amtsanwälte sind Rechtspfleger mit Zusatzausbildung; sie klagen Fälle mittlerer und leichterer Kriminalität an, sind für Schwarzfahrer, Falschparker und Fahrraddiebe zuständig – und bezeichnen sich selbst mittlerweile als Einstellungsbehörde, da das Personal nicht reiche, um die Verfahren auszuermitteln und anzuklagen. „Im Durchschnitt haben wir zwei bis zweieinhalb Minuten pro Akte“, sagt Oberamtsanwalt Stephan Szammetat. „Da können Sie sich vorstellen, wie die Qualität unserer Arbeit nur sein kann.“ Der Senator stelle sich dem Problem bisher nicht und habe das Gesprächsangebot des Berufsverbands der Amtsanwälte nicht wahrgenommen.

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