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Singt und klingt wie Berlin: die Soundmaschine.

© Mike Wolff

Berliner Klänge: Sinfonie der Großstadt

Soundmaschinen sind ein erprobtes Handwerkszeug für Stimmungskanonen. Jetzt hat ein Kölner Verlag eine Version für Berlin herausgebracht.

„Allet klar. Det kannste gleich ma’ wieder knicken.“ Ja, det isse, unverkennbar: die weltberühmte – oder sollte man sagen berüchtigte? – Berliner Schnauze. Schnodderig, mokant, mit einem meist leicht, bisweilen stark angestaubten Wortwitz. Hart, aber herzlich. Ein Zungenschlag, der anfangs den Fremden verschreckt, bis er, schon, um nicht bei jeder Äußerung als solcher aufzufallen, selbst in diese Tonlage verfällt oder es zumindest hin und wieder versucht.

In einer Sammlung von Tonbeispielen für den typischen Berliner Sound darf solch ein Kurzauftritt der „Berliner Schnauze“ keinesfalls fehlen, ebenso wenig wie JFK’s legendäres Bekenntnis „Ich bin ein Berliner“ oder die ersten Takte von Paul Linckes „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft“. Nur drei von insgesamt 16 Hörproben der Berliner Großstadtsinfonie, die auf der vom Kölner Emons Verlag herausgebrachten Soundmaschine „Berlin Berlin“ versammelt sind. Das ist eine kleine rote Schachtel zum Umhängen, mit eingebautem Lautsprecher und Knöpfen, auf die man drückt und schon ertönt – nun gut, nicht gerade in Hifi-Qualität – das jeweilige Berlin-Geräusch.

Gewiss, ein Kinderspielzeug und Partygag, Allzweckwaffe für Stimmungskanonen, die damit, um im Bild zu bleiben, aus 16 Rohren zu feuern vermögen. Als Urform dieses Geräts wird man das „Furzkissen“ identifizieren dürfen, das sind kleine luftgefüllte Gummisäckchen, die, setzt sich jemand unwissentlich darauf, verdächtig knatterende Geräusche von sich geben – das Highlight jedes Kindergeburtstags. Selbstverständlich gibt es das dabei erzeugte Geräusch auch auf den bisher verfügbaren Soundmaschinen, die zugleich – ein recht kindliches Vergnügen – Pferdegetrappel, Händeklatschen, klirrendes Glas oder, in der Halloween-Version, markerschütternde Schreie zu generieren vermögen.

Berlin ohne Conny? Unmöglich.
Berlin ohne Conny? Unmöglich.

© dpa

All dies hat der Verlag nicht erfunden, aber er hat es mit Hilfe eines seiner Autoren, des Kölner Journalisten und Schriftstellers Rüdiger Liedtke, berlinisiert. Und dem ist mit dem kleinen roten Kasten nichts weniger als ein kleines akustisches Porträt der Stadt gelungen, das auch ohne Party für ausgesprochen heitere Stimmung sorgt.

Grob lassen sich die 16 Hörbeispiele in drei Kategorien teilen. Da sind einmal die Kurzausschnitte berühmter Berliner Reden, Kennedys Bekenntnis eben, Walter Ulbrichts „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ und Ronald Reagans „Mister Gorbachev, tear down this wall“. Zum Zweiten ist da das Potpourri bekannter Berliner Weisen. Die kleine Conny Froboess packt wieder mal die Badehose ein, die „Kreuzberger Nächte“, ursprünglich von den Gebrüdern Blattschuss, hier als Instrumental, und eben die „Berliner Luft, Luft, Luft“ werden verherrlicht, Krücke gibt dem Sportpalast-Walzer erst den richtigen Pfiff, und der „Preußische Präsentiermarsch“ wird mit viel Tschingdarassabum dahergeschmettert, Opa Hoppenstedt wäre es eine wahre Freude.

In die dritte, nicht ganz eindeutig zu fassende Kategorie fallen typische Berliner Klangkulissen wie das erhabene DongDong-Dong der Freiheitsglocke, das nervend-aufrüttelnde Warnsignal der sich schließenden S-Bahn-Türen und die Automatenstimme der U-Bahn:  „Einsteigen bitte! Zurückbleiben bitte!“ Selbst der Schlachtruf deutscher, auf Einzug ihrer Mannschaft ins DFB-Pokalfinale hoffender Fußballfans – „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ – ist dabei.

Auch Kennedys "Ich bin ein Berliner" darf nicht fehlen.
Auch Kennedys "Ich bin ein Berliner" darf nicht fehlen.

© picture-alliance/ dpa

Dennoch, 16 Mal singendes, klingendes Berlin – das ist arg wenig, und eine zweite Klangkiste von der Spree scheint ohne Weiteres möglich, ja geboten. Gewiss, nicht jedes markige, in Berlin geprägte Zitat eignet sich für solch ein harmloses Vergnügen. So müsste Goebbels’ Sportpalast-Rede aus Gründen historischer Vollständigkeit hinein, aus übergeordneten Gründen aber wäre das zu verwerfen – nicht, dass noch unerwünschtes Publikum Freude an der Soundmaschine findet. Aber wo bleiben Ernst Reuters „Ihr Völker der Welt“, Willy Brandts „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“, Walter Mompers „Berlin, nun freue dich“ oder Klaus Wowereits „Berlin ist arm, aber sexy“?

Vergeblich wartet man bislang auf das „Insulanerlied“, das hungerlindernde Brummen der Rosinenbomber wäre eines Knopfdrucks würdig oder selbst das Intro der Berlinale. Und leider auch bislang keine Spur von „Ideal“ und Annette Humpe („Ich steh’ auf Berlin“), von Nina Hagen („Auf’m Bahnhof Zoo im Damenklo“) oder unser aller Harald („Berlin, Berlin“). Also bitte: Mehr Berlin!

Rüdiger Liedtke: Berlin, Berlin. Soundmaschine mit Schnur zum Umhängen. Emons Verlag, Köln. 12,95 Euro. www.emons-verlag.de

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