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Berlin: Berliner Lehrer fühlen sich erschöpft

Alarmbrief an den Schulsenator macht die Runde

Berlins Lehrer haben sich noch nicht damit abgefunden, dass ihre Arbeitszeit innerhalb weniger Jahre um ein Drittel heraufgesetzt worden ist. Allerorten kursieren Unterschriftenlisten für „Überlastungsanzeigen“, die dem Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) die Stimmungslage verdeutlichen sollen. Auffällig ist, dass die Briefe zum Teil identisch sind – obwohl keine Gewerkschaft einen entsprechenden Vordruck verfasst hat. Eine Erklärung dafür gab es gestern.

„Ich habe den Brief mit ein paar Kollegen verfasst“, berichtete Detlef Heidinger, Lehrer am Lichterfelder Goethe-Gymnasium. Rund drei Monate habe es gedauert, bis aus seinem Manuskript ein vierseitiger Brief geworden sei, der schließlich von zwei Dritteln des Kollegiums unterschrieben und im September an den damaligen Bildungssenator Klaus Böger (SPD) geschickt wurde. Die Runde machte der Brief aber erst, als der Verband der Korrekturfachlehrer den Text als Vordruck ins Internet stellte.

So kam das Schreiben beispielsweise zum Reinickendorfer Humboldt-Gymnasium, wo es im Lehrerzimmer ausgelegt und mit 60 Unterschriften an Bögers Nachfolger Zöllner geschickt wurde. Heidinger ist jetzt allerdings verärgert, weil es keinerlei Hinweis auf seine Urheberschaft gibt. Er findet es zudem „unklug und unproduktiv“, wenn der Brief „eins zu eins“ übernommen werde, denn das mache den Protest unglaubwürdig. Dennoch steht er voll hinter dem Schreiben und bekommt Rückendeckung von seinem Schulleiter Heinrich Zacharias.

„Ich habe das als Aufschrei gesehen“, sagt Zacharias. Die reine Erschöpfung habe den Brief ausgelöst. Deshalb habe er ihn auf den Dienstweg gegeben. Zacharias steht nicht allein mit seinem Verständnis für die Lehrer, die jetzt bei einem Durchschnittsalter von knapp 50 Jahren mehr arbeiten und mehr Reformen verkraften müssen. „Besonders die Lehrer mit Vollzeitstellen sind an der Belastungsgrenze“, sagt auch Harald Mier vom Verband der Oberstudiendirektoren. Er verweist darauf, dass schon jeder vierte bis fünfte Lehrer auf Teilzeit gegangen sei. Früher machten vor allem junge Mütter von dieser Möglichkeit Gebrauch, heute sind darunter viele, die wegen Erschöpfung diesen Weg wählen.

Für Hinrich Lühmann vom Humboldt-Gymnasium ist es höchste Zeit, dass die Belastung in den Kollegien anders verteilt wird. Das könnte bedeuten, dass etwa Lehrer mit aufwändigen Korrekturfächern wie Deutsch und Englisch entlastet würden. Aber keiner weiß, woher das Geld dafür kommen soll. Lühmann hat wenig Hoffnung, dass sich durch die aktuelle Diskussion etwas ändert. Aber er hofft, dass Zöllner die Überlastungsanzeigen zumindest als „Temperaturmessung“ für die Stimmung an den Schulen wahrnimmt.

Sabine Sander-Kulich vom Bezirkselternausschuss Steglitz-Zehlendorf sagte gestern, es sei „ein schrecklich deprimierendes Gefühl“ für Eltern, dass die Lehrer ihrer Kinder sagen, sie könnten ihre Aufgaben nicht mehr vollständig erfüllen.

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