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Berlin: Berliner Protestfahrt: Die Konvois blockieren schon am frühen Morgen die Stadt

Kilometerlange Konvois schlängeln sich heute durch Berlin. Politiker fürchten, dass die Proteststernfahrt der Trucker den gesamten Verkehr in Berlin lahm legt.

Kilometerlange Konvois schlängeln sich heute durch Berlin. Politiker fürchten, dass die Proteststernfahrt der Trucker den gesamten Verkehr in Berlin lahm legt. Die Polizei hofft aber, dass die Stadt nicht ganz im Chaos versinkt. Wie schlimm der Stau durch den Treck zum Brandenburger Tor tatsächlich wird, hängt davon ab, ob die Berliner das Auto heute stehen lassen. Bis zu 4000 Lkw aus dem Bundesgebiet, Dutzende von Traktoren und 200 Taxis sowie bis zu 10 000 Demonstranten wollen mit der Aktion gegen hohe Treibstoffpreise und die Ökosteuer protestieren. Die Verkehrsbetriebe wollen zunächst nicht mehr U-Bahnzüge einsetzen als sonst.

Die Polizei schließt aber nicht aus, dass wesentlich mehr Laster unterwegs sein werden, weil sich Fahrer spontan den Protesten anschließen. Ab 7 Uhr morgens will sie bis zu 2000 Lastwagen über drei Routen zur Straße des 17. Juni lotsen. Der Rest der Wagen soll an drei Sammelstellen Umland geparkt werden (siehe Kasten unten). Die Kundgebung der Lkw-Fahrer beginnt gegen 12 Uhr am Brandenburger Tor. Um 11.30 Uhr will eine Gruppe von Demonstranten Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) eine Resolution übergeben. Gegen 14 Uhr wollen die Lkw-Fahrer den Heimweg antreten. Zu Stockungen kann es laut Polizei bis in die Abendstunden kommen. Zusätzlich zur Demo haben die Fahrer angekündigt, den Verkehr mit einer "Energiesparaktion" zu blockieren. Von 12 bis 16 Uhr wollen sie bundesweit und in Berlin besonders langsam fahren: Tempo 60 auf den Autobahnen, 50 auf Landstraßen und 30 in den Städten.

"Wir werden heute einen Tag erleben, an dem Berlin still stehen wird", befürchtete gestern der Staatssekretär der Innenverwaltung, Rüdiger Jakesch. ADAC-Sprecher Eberhard Lange warnte davor, schwarz zu sehen. Ob es zum Chaos komme, hänge wesentlich davon ab, wie viele Berliner Autofahrer auf U- oder S-Bahn umstiegen. Eine Prognose wollte er aber auch nicht abgeben. Die Lkw-Demo sei "ein einmaliges Ding", sagte Lange.

Die BVG will nur "bei Bedarf" zusätzliche U-Bahnzüge losschicken. Busse und Straßenbahnen, die im Stau stecken zu bleiben drohen, werden umgeleitet, sagte BVG-Sprecher Wazlak. Informationen soll es in allen Fahrzeugen geben. Der Einzelfahrschein zu 4 Mark fürs Stadtgebiet (Tarif AB) gilt heute als Tageskarte.

Kommt die Feuerwehr durch?

Die Feuerwehr befürchtet nach Angaben ihres Sprechers Wolfgang Kunze nicht, dass ihre Einsatzwagen im Stau steckenbleiben könnten. Sie setze auf das Konzept der Polizei, wonach die Lkw in Konvois durch die Stadt geleitet werden. Dazwischen würden Lücken offen gehalten. Die Feuerwehr hat heute 50 zusätzliche Männer im Einsatz. Fünf Rettungswagen und sieben Löschfahrzeuge werden zur Sicherheit nahe der Lkw-Routen postiert. Am Sammelplatz auf der Straße des 17. Juni werde eine Spur für Einsatzfahrzeuge frei gehalten, sagte Kunze.

Die zwischen Polizei und Lkw-Verband verabredeten Routen verlaufen von Stolpe über die A 111, den Spandauer Damm, die Otto-Suhr-Allee; von Dallgow über die B 5, die Heerstraße, den Kaiserdamm und die Bismarckstraße; von Michendorf über die A 115, über Avus, Messedamm und Bismarckstraße zum Brandenburger Tor.

Am Abend vor der "Belagerung Berlins" hatten sich Lkw und Busse an den Zufahrtswegen vor und in der Stadt gesammelt. Nach Auskunft des Sprechers des Berliner Fuhrgewerbes, der Leitstelle des Protestes, nutzen die meisten Transportunternehmer die Fahrt nach Berlin, um in der Stadt Ladung zu löschen oder neue Ware zu laden. Der Treibstoff gilt als zu kostbar, um viele 100 Kilometer mit leerer Ladefläche zu fahren. So waren bereits gestern zahlreiche Protest-Laster aus dienstlichen Gründen in Berlin. Derweil kündigten sich noch zahlreiche Speditionsunternehmen für die Protestfahrt an, Innungssprecher Gerd Bretschneider registrierte vor allem Interesse aus Nordrhein-Westfalen. Laster und Busse aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen werden wegen der Nähe zu Berlin am stärksten vertreten sein. Bretschneider bat die Bevölkerung um Verständnis für die Verkehrsbehinderungen, sieht aber keinen anderen Weg, als durch diese Protestfahrt Unmut zu bekunden. Groß angelegte Blockaden wie in Frankreich "sind nicht unsere Kultur".

Um Fernsehbilder von brennenden Autoreifen auszuschließen, die es in Frankreich gab, hat die Polizei den Demonstranten zudem zur Auflage gemacht, "versammlungsunfreundliches Material" wie Mist, Tomaten, Reifen und Gülle zu Hause zu lassen. Nach Angaben von Innen-Staatssekretär Jakesch rechnet die Polizei nicht mit anderen, größeren Protestaktionen. Die Anmelder hätten sich sehr koperativ gezeigt. "Wir können allerdings nicht ausschließen, dass unorganisierte Lkw-Fahrer eigens zu Blockaden ins Stadtgebiet kommen." Die Polizei sei aber vorbereitet - "auch auf mögliche Blockaden von Tanklagern".

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