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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (Mitte, SPD), und die neuen Senatoren

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Berliner Senat in Klausur: Der aufgescheuchte Haufen muss sich ordnen

Berlins neuer rot-rot-grüner Senat hat es bisher nicht geschafft, eine Struktur zu finden. Es fehlt vor allem ein überzeugendes Konzept zur Stärkung der inneren Sicherheit. Ein Kommentar.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Berliner Senat geht in Klausur. Das ist klug. Ein paar Stunden des Rückzugs und der Besinnung können der neuen Koalition nur guttun. Seit dem 8. Dezember, als sich die Landesregierung konstituierte, ist Rot-Rot-Grün ein aufgescheuchter Haufen, von inneren und äußeren Nöten getrieben. Erst der Streit um einen Stasi-belasteten Staatssekretär, dann der fürchterliche Terroranschlag am Breitscheidplatz, dazwischen unruhige Feiertage. Das zweite Müller-Kabinett hat es bisher nicht geschafft, die Reihen einigermaßen zu ordnen. Das muss jetzt dringend nachgeholt werden.

An erster Stelle steht, das erwarten die Bürger dringend, ein überzeugendes Konzept zur Stärkung der inneren Sicherheit. Keine Beruhigungspille, sondern handfeste und schnell wirksame Maßnahmen sind gefragt, um dem Terror besser begegnen zu können. Das ist nicht leicht, weil viele Bereiche betroffen sind: Die Ausstattung von Polizei und Feuerwehr, das Aufenthalts- und Ausländerrecht, die Betreuung und Integration geflüchteter Menschen, von denen einige die Hilfsbereitschaft leider missbrauchen.

Innensenator Andreas Geisel hat das, was aus seiner Sicht in Berlin machbar und jetzt notwendig ist, zu einem Präventions- und Sicherheitspaket geschnürt. Seine Vorschläge sind vernünftig, auch wenn die Videoüberwachung gefährlicher Orte eine unverbindliche Bemühenszusage bleibt. Wohl mit Rücksicht auf Linke und Grüne, für die ein abstrakter Datenschutz offenbar genauso wichtig ist wie die konkrete Kriminalitäts- und Antiterrorbekämpfung.

Die eigentliche Schwachstelle des Konzepts liegt aber woanders. Es geht um das Personal, das für die Gewährleistung der inneren Sicherheit und für eine vorsorgende Jugend- und Sozialarbeit in Berlin dringend gebraucht wird. Waffen, Schutzwesten und Kriminaltechnik lassen sich relativ zügig besorgen. Rechtliche Korrekturen sind bei gutem Willen in Bund und Ländern machbar. Qualifizierte Fachkräfte, die trotz mäßiger Bezahlung ihr Bestes tun, sind dagegen Mangelware. Obwohl es um einige tausend Stellen geht, die in absehbarer Zeit in Berlin besetzt werden müssen: bei Polizei und Feuerwehr, in bezirklichen Behörden und bei freien Trägern. Es fehlen auch Studien- und Ausbildungsplätze für die nötige Qualifizierung.

Berlin ist für eine schlechte Verwaltung von Mängel anfällig

Schaut man sich an, wann die Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung versagt, aber auch die Integrations- und Präventionsarbeit, stößt man in der Regel nicht auf gesetzliche Lücken, sondern auf fehlendes oder überfordertes Personal. Auch in der aktuellen Diskussion, die quer durch alle Parteien geht und die Stimmung in Kneipen wie Wohnzimmern aufheizt, wird dies gern übersehen. Doch was nützen die tollsten Sicherheitskonzepte, wenn es nicht genug Menschen gibt, die sie engagiert und fachkundig umsetzen können?

Polizisten in der Silvesternacht am Brandenburger Tor
Polizisten in der Silvesternacht am Brandenburger Tor

© dpa

Berlin ist erfahrungsgemäß besonders anfällig, wenn es um die schlechte Verwaltung großer Mängel geht. In der Regel ist das ärgerlich, aber nicht gefährlich. Wenn aber Polizei, Ausländerbehörden und Flüchtlingshelfer in dem chronischen Ausnahmezustand bleiben, in dem sie momentan sind, rührt das an die Grundfesten der inneren Sicherheit in der deutschen Hauptstadt.

Außerdem kann man nur hoffen, dass Bund und Länder schnell abgestimmte Positionen zur Terrorbekämpfung finden. In diesem Prozess wird nicht nur die CSU in Bayern ideologischen Ballast abwerfen müssen, sondern auch Linke und Grüne in Berlin. Nicht zum ersten Mal muss das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Bürgerrechten einerseits und öffentlicher Sicherheit und Ordnung andererseits neu austariert werden. Das ist nicht schlimm, kein Kampf zwischen Gut und Böse. Es geht um den Schutz des Individuums und ein friedliches Zusammenleben. Um das zu garantieren, muss der Senat schnell Fakten schaffen. Auch in Berlin gab es Zeiten, in denen die wehrhafte Demokratie als ein Schimpfwort galt. Jetzt brauchen wir sie.

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