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Berliner Senat: „Wir behalten Scientology im Auge“

Was tun mit dem umstrittenen Psycho-Konzern? Der Senat will der Herausforderung mit einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus mehreren Verwaltungen begegnen. Sie soll Strategien zum Umgang mit der Organisation entwickeln.

Von Sabine Beikler

Strategisch gehört Berlin zum „Kreuzzug Europa“, den Scientology in ihrem Expansionsdrang propagiert. „Um unsere planetarischen Rettungskampagnen in Anwendung zu bringen, müssen wir die obersten Ebenen der deutschen Regierung in Berlin erreichen. Deshalb wird Berlin die erste ideale Org in Deutschland.“ Mit dieser idealen „Org“ (gemeint ist Organisation) ist in einem internen Scientology-Papier die im Januar eröffnete Berliner Repräsentanz in Charlottenburg gemeint. Doch so einfach wird Scientology die Regierungsebenen nicht erreichen: Der Berliner Senat macht gegen diese Organisation mobil und hat eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe gebildet. „Wir behalten Scientology im Auge“, sagte Senatssprecher Michael Donnermeyer.

Unter Federführung der Senatskanzlei werden sich Referatsleiter der Bildungs- und Innenverwaltung und Bezirksvertreter in regelmäßigen Abständen treffen, um sich über die Aktivitäten von Scientology auszutauschen beziehungsweise auch Vorgehensweisen dagegen zu besprechen. Donnermeyer warnte allerdings vor „Hysterie und blindem Aktionismus“, wie er die CDU-Forderung nach einem „Kompetenzzentrum Scientology“ bezeichnete. Diese Arbeitsgruppe geht auf einen Parlamentsbeschluss von Anfang Juni zurück. Nach der Sommerpause wollen SPD-Politiker wie Verfassungsschutzexperte Tom Schreiber und Innenpolitiker Thomas Kleineidam die Gruppe „zum Rapport bitten“, so Schreiber. Das Gremium solle nicht nur am runden Tisch diskutieren, sondern auch „eigene Handlungsstrategien“ entwickeln. „Wenn nicht, dann werden politisch Druck ausüben“, sagte Schreiber.

Für Ratsuchende gibt es bereits ein Krisentelefon bei der Bildungsverwaltung unter der Telefonnummer 90 26 55 74. Die zwei Mitarbeiter von Jugendsenator Jürgen Zöllner (SPD) sind aber nicht nur für Fragen zu Scientology zuständig, sondern allgemein für „konfliktträchtige Anbieter am Lebenshilfemarkt“, zu denen die unterschiedlichsten „Psychogruppen“ zählen, sagte Referatsleiter Sven Nachmann. „Wir vermitteln weiter an spezielle Beratungsstellen und schalten in dringenden Fällen auch die Familiengerichte ein.“ Bis zu zehn Anrufe täglich erhalten die Mitarbeiter in der Verwaltung. Es melden sich Betroffene, aber auch Hinweisgeber, die zum Beispiel über Immobilienkäufe von Scientologen berichten.

„Wir arbeiten ohne Öffentlichkeit“, sagte Nachmann. Dass der Fall des 14-jährigen Mädchens und ihres 25-jährigen Stiefbruders publik gemacht wurde, könne er nicht verstehen. Dass die beiden dagegen zunächst in Hamburg und nicht in Berlin Schutz gesucht hätten, könne er dagegen nachvollziehen. Wie berichtet sind die Geschwister nach Hamburg geflüchtet, um aus der umstrittenen Organisation Scientology auszusteigen. Inzwischen haben die Eltern – die Mutter ist die leitende Direktorin des Berliner Scientology-Zentrums – Strafanzeige wegen Verletzung von Privat- und Dienstgeheimnissen gegen Ursula Caberta von der „Arbeitsgruppe Scientology“ der Hamburger Innenbehörde erstattet. Die geflohenen Geschwister hatten sich zuerst an Caberta gewandt. Von der langjährigen Expertin erschien gestern das „Schwarzbuch Scientology“.

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