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Berliner Standpunkt: Letztes Gericht

Christian van Lessen fürchtet um den guten Ruf eines Finanzamtes

Es gehört zu den unerschütterlichen Weisheiten, dass der Gang zum Finanzamt für den normalen Bürger nur mit großer Überwindung zu bewältigen ist. In Zehlendorf aber ist das anders, da verdankt das Amt an der Martin-Buber-Straße seinen fast beängstigend guten Ruf einem Casino. Es lockt nicht mit Glücksspiel, aber mit Rouladen, Schnitzel und Currywurst. Auch Leute, die das Amt scheuen, kommen gern ins Haus. Seit fast 30 Jahren steht hier eine kochende Pächterfamilie unter Dampf. Das mag als Zeichen gastronomischer Beständigkeit und angesichts volkstümlicher Preise rührend und anerkennenswert sein, aber für die landeseigene Berliner Immobilien-Gesellschaft, die auf die schrumpfende Mitarbeiterzahl im Amt schaut, rechnet sich der gute Ruf nicht mehr. Der Wirt sieht sich nicht in der Lage, mehr zu zahlen, auch für ihn rechnet sich dann nichts mehr. So steht das letzte Gericht an. Am Donnerstag gibt es noch einmal die Leibgerichte der Gäste, am Freitag ist für den Wirt und seine Mitarbeiter Schluss: Dann wird kalt abserviert. Der Gang zum Finanzamt dürfte nun auch hier viele Menschen eine gewisse Überwindung kosten.

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