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Alles auf Blau. So fotogen warben der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes Clemens Prokop einst für die Leichtathletik-WM 2009.

© picture-alliance/ dpa

Berlins Olympia-Bewerbung: Ohne die Bürger geht es nicht

Klaus Wowereit will, dass sich Berlin um Olympia bewirbt. Senat und Opposition sind sich zumindest in einer Frage einig: Es geht nicht gegen den Willen der Bürger. Doch wie ein Votum verbindlich abgefragt werden könnte, ist noch unklar.

Von
  • Fatina Keilani
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin wird sich für die Olympischen Spiele bewerben, das hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit jetzt bekräftigt. In einem Interview mit dem „Berliner Rundfunk“ sagte er, Berlin werde eine Bewerbung abgeben – und positionierte sich so zum ersten Mal seit langem öffentlich klar. Ob es um das Jahr 2024 oder um 2028 geht, ist noch nicht klar. Spätestens Anfang Juli will der Senat über die Grundzüge einer Bewerbung beraten. Dazu gehört an vorderer Stelle die „Akzeptanz der Bevölkerung“, wie Wowereit formulierte. Gegen den Willen der Berliner gibt es keine Spiele, da sind sich ausnahmsweise alle einig – Regierung und Opposition. Die Frage ist nur: Wie findet man rechtlich und politisch verbindlich heraus, was die Bürger wollen? In Berlin gibt es dafür noch kein gesetzliches Instrumentarium.

Aber es gibt brauchbare Ideen. So schlägt der Verein „Mehr Demokratie“, der sich bundesweit seit vielen Jahren um mehr Bürgerbeteiligung kümmert, die Verankerung obligatorischer und fakultativer Referenden in der Berliner Verfassung vor. Wenn öffentliche Unternehmen privatisiert werden und wenn die Verfassung geändert wird, sollten die Bürger in jedem Fall befragt werden, ob sie einverstanden sind, steht in einem aktuellen Positionspapier. Zwingend vorgeschriebene Referenden fordert der Verein auch für besonders teure Großprojekte wie Olympische Spiele.

In Hamburg gibt es eine Art Vetorecht für Bürger

In Hamburg, das ebenfalls eine Olympiabewerbung erwägt, gibt es seit 2009 immerhin ein freiwilliges Referendum für die vom Landesparlament beschlossenen Gesetze. Eine Art Vetorecht der Bürger, mit kurzen Fristen und relativ niedrigen Unterschriftenquoren. Im Hamburger Rathaus wird auch darüber nachgedacht, die Bürger 2015 mit Hilfe eines solchen Referendums zu einer Olympiabewerbung zu befragen. In Berlin müsste eine solche Beteiligungsmöglichkeit erst geschaffen werden.

„Wir sind für solche Referenden“, sagt Michael Efler, der im Bundesvorstand von „Mehr Demokratie“ sitzt. „Aber nur dann, wenn sie gesetzlich klar geregelt und nicht davon abhängig sind, ob eine Landesregierung aus politischen Gründen im Einzelfall die Bürger mal schnell fragen will“. Auch Eflers Vorstandskollege Ralf-Uwe Beck hält nichts von einer „Demokratie von oben“, um einzelne Großprojekte zu legitimieren. Denn das biete zu viele Möglichkeiten des parteipolitischen Missbrauchs. Die Idee einer rechtlich klar geregelten „aufsuchenden Bürgerbeteiligung“ sei aber hoch interessant.

Selbst die Grünen kritisieren Wowereits Ankündigung

Die Frage ist nur, wie Senat und Abgeordnetenhaus in der gebotenen Eile ein solches Beteiligungsverfahren sauber umsetzen könnten. Sollte es um 2028 gehen, wäre mehr Zeit. In jedem Fall ginge es nicht ohne eine Verfassungsänderung – und die bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Ein Teil der Opposition müsste mit der Regierung stimmen. Aber selbst die Grünen, die im Gegensatz zu Linken und Piraten Olympischen Spielen in Berlin nicht völlig abgeneigt sind, kritisieren Wowereits Ankündigung, sich erst zu bewerben und dann für Akzeptanz zu sorgen. Das sei die falsche Reihenfolge, sagte Fraktionschefin Ramona Pop. Die Bewerbung müsse vorher diskutiert werden.

Dass es notwendig sein wird, die Bürger einzubinden, ist auch von Vertretern der Berliner Wirtschaft zu hören. Die Mehrheit der Berliner müsse die Spiele wollen – so äußern sich Vertreter von Industrie- und Handelskammer und Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), die beide eine Bewerbung grundsätzlich befürworten. Es werden allerdings auch Zweifel geäußert, ob Berlin die Aufgabe logistisch und finanziell bewältigen könnte, auch wenn Olympia natürlich große Chancen biete. Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Dehoga Berlin, lobt zwar die „weltweite Werbung und Präsenz“, die ein solches Großereignis mit sich bringt – sagt aber auch, ihm als Privatmann sei es wichtiger, dass in Schulen investiert würde.

"Erst einmal sollten Aufgaben im Wohnungsbau bewältigt werden"

Skeptisch zeigt sich der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. „Bevor sich Berlin auf ein weiteres Großprojekt einlässt, sollten die dringend notwendigen Aufgaben im Wohnungsbau bewältigt werden“, sagte Verbandssprecher David Eberhart. Die Idee, ein neu errichtetes Olympisches Dorf später zu Wohnzwecken zu nutzen, bezeichnete er als „möglich“. Es sei aber „unwahrscheinlich, dass dabei kostengünstiger Wohnraum entsteht“. Diese Zweifel teilt Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Warum Berlin sich bewerben sollte, kann er angesichts maroder Brücken und Schultoiletten nicht nachvollziehen. Anders sieht das sein Amtskollege aus Mitte, Carsten Spallek (CDU): „Berlin kann Großveranstaltungen, das beweisen wir immer wieder“. Proteste linker Aktivisten gehörten zum Standard und sollten niemanden abhalten.

Klaus Böger, Präsident des Landessportbunds, plädierte dafür, bis Ende 2015 eine Volksbefragung durchzuführen. „Olympia ist kein Projekt einer Regierung. Es ist wie bei einem Gesellschaftsvertrag ein Projekt der Bevölkerung.“ Die Berliner Bewerbung sei ein offener Prozess, in dem keine Konzepte von oben vorgegeben würden. Die Stadt könne auf vieles zurückgreifen und manches optimieren, sagte Böger. „Welche Stadt hat schon so zentral ein Messezentrum? Wir haben ein tolles Olympiastadion, ein Radrennbahn und die O2-World.“ Auch Brandenburg könne durch Rudern und Kanu auf dem Beetzsee eingebunden werden, wie auch andere östliche Bundesländer.

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