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Hilfsangebot. An der Charité gibt es ein Präventionsangebot für Menschen mit pädophilen Neigungen.

© Thilo Rückeis

Besserer Schutz vor Missbrauch: Die verdächtigen Gute-Nacht-Küsse

Bei Kindesmissbrauch stehen Polizei, öffentliche Einrichtungen und Psychologen vor besonderen Herausforderungen. Denn die Täter kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. In Berlin profitiert die Pädophilenszene von der Großstadt-Anonymität.

Sie laden vernachlässigte Kinder in angemieteten Wohnungen zum DVD-Gucken ein, nähern sich ihren Schutzbefohlenen im Ferienlager beim Gute-Nacht-Sagen am Bett oder bieten Jugendlichen auf Abenteuerspielplätzen eine Zigarette oder ein Bier an, um Kontakt zu knüpfen: Bundesweit, schätzt der renommierte Sexualwissenschaftler Klaus Beier, hat rund ein Prozent der männlichen Bevölkerung pädophile Neigungen.

Beier leitet an der Charité das Präventionsprojekt „Dunkelfeld“, in dem er versucht, Menschen mit pädophilen Neigungen Techniken beizubringen, um ihrem Drang zu widerstehen. Seit Projektbeginn vor sechs Jahren haben sich rund 1200 Personen gemeldet, darunter war nur eine Frau. Manche der Klienten waren 80 Jahre alt. Derzeit befinden sich 36 Personen in Therapie.

Die Szene von Pädophilen sei in sich sehr abgeschottet, was die Ermittlungsarbeit sehr schwierig macht, sagt die Leiterin eines Dezernats für organisierte Kriminalität beim LKA, Heike Rudat. Ihre Dienststelle ist auch zuständig für den sogenannten Kinderhandel. Laut Rudat könne man keine seriöse Schätzung darüber abgeben, wie hoch die Zahl der Pädophilen in Berlin ist.

Allerdings biete Berlin als anonyme Metropole eine gute „Tatgelegenheitsstruktur“ für sie, sagt Rudat, eine Großstadt könne für derlei Taten sehr förderlich sein, sagt Rudat. An die Opfer gelangen die Täter hauptsächlich über das Internet sowie über persönliche Kontakte. Zudem gebe es eine eigene „Vermittler“-Szene, die organisiert vorgeht und eigene Strukturen zur Vermittlung von Kindern an Freier aufgebaut hat.

Die Pädophilen, die sich Minderjährige bestellen, kämen aus allen gesellschaftlichen Schichten. „Das reicht vom Familienvater bis hin zum ehemaligen Pfarrer“, sagt Rudat. Zudem gebe es auch Tatverdächtige, die im „pädagogischen Bereich“ gearbeitet haben. Bei den Vermittlern handelte es sich zumeist um „Geschäftsmänner, die Geld machen wollen“, sagt die Kriminaldirektorin.

So soll es sich auch bei einem der Tatverdächtigen im aktuellen Verdachtsfall des Menschenhandels mit einem minderjährigen Waisenjungen aus Haiti verhalten. Die Männer sollen ihn wie berichtet über die Dominikanische Republik eingeschleust haben. Die bayerischen und Berliner Ermittler sichten die digitalen Datenträger mit Nacktfotos von Männern mit ihren Opfern – die kinderpornografischen Bilder wurden in der Wohnung des 57-jährigen Berliner Geschäftsführers des Vereins „Promote Africa“ sichergestellt. Im Verdacht stehen ein 67-jähriger ehemaliger Lehrer an der Waldorfschule Märkisches Viertel, der Vorsitzende von „Promote Africa“, und ein 26-jähriger brasilianischer Amateurfußballer, der sich laut Internetseite des Vereins als „Vorbild für Jungs gegen Perspektivlosigkeit & Resignation“ engagierte – der eingetragene Verein wurde auch von Senatsbehörden und Stiftungen unterstützt.

Die Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Elfi Witten, betonte, dass die freien Träger der Jugendhilfe, die Entgelte erhalten, im Vertrag mit dem Land Berlin bereits unterschrieben haben, dass sie ein erweitertes Führungszeugnis von allen angestellten und ehrenamtlichen Mitarbeitern sowie Praktikanten und Honorkräften verlangen müssen. Dies gelte auch für Kitas. Die Sportjugend Berlin, die viele Ferienfahrten veranstaltet, verlangt erweiterte Führungszeugnisse von allen Angestellten und Helfern auf freiwilliger Basis; der Landessportbund empfiehlt seinen Vereinen und Verbänden, sich dieses Zeugnis vorlegen zu lassen. Die Jugend- und Rechtsexperten der CDU-Fraktion fordern nun eine Verschärfung des Schul-, Kita- und Kinderärztegesetzes. (ecp, fmb, kög, tabu)

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