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Bestattungen: Die Würde weggespart

Keine Termine, keine Zeit, kein Bagger: Aus Kostengründen werden Bestattungen auf vielen Berliner Friedhöfen lieblos abgefertigt.

Für Petra Linke war es ein schwerer Gang. Ihr Sohn war bei einem Aufenthalt in den USA verstorben. In Berlin sollte er bestattet werden. „Weil er immer gerne im Kiez an der Bergmannstraße war, wollten wir ihn dort beerdigen“, sagt Petra Linke. Also ging die trauernde Mutter im August zum dort gelegenen Friedrichswerderschen Kirchhof. Doch in der Baracke der Friedhofsverwaltung, direkt am großen, schmiedeeisernen Tor gelegen, glaubte die Tagesspiegel-Leserin, ihren Ohren nicht zu trauen: „Die Sachbearbeiterin am Schreibtisch bestand darauf, dass Urnenbeisetzungen nur am Dienstag und nur vor 10.30 Uhr möglich waren – und den Organisten, bei dem unser Sohn das Bassspielen gelernt hat, durften wir auch nicht mitbringen.“ Aus Sicht der Angehörigen herrschte Chaos: Welche Gräber frei waren, war zwar im Computer erfasst. Der aber war gerade kaputt. Und weil die Asche des Sohnes noch nicht in Deutschland war, bekam die Familie nur einen „Bleistifttermin“ für die Beisetzung. „Wenn ein ,zuverlässigerer Toter‘ zur Bestattung angestanden hätte, wäre der vorgezogen worden“, beschreibt Petra Linke die Situation. „Aber dazu kam es zum Glück nicht.“

Was Petra Linke in Kreuzberg erlebte, scheint kein Einzelfall zu sein. Viele Berliner Friedhöfe sind von einer Dienstleistungskultur offenkundig weit entfernt. „Die vorgegebenen Tage für eine Urnenbeisetzung sind auf allen Friedhöfen, städtisch wie kirchlich, ein Problem“, sagt Pfarrerin Annemarie Werner aus der Wilmersdorfer Vaterunser-Kirchengemeinde. Denn veränderbar sind sie in der Regel nicht. „Bei den städtischen Friedhöfen gibt es oft nur eine kleine Zahl von Mitarbeitern, die dann auf mehreren Friedhöfen arbeiten und hin- und hergeschickt werden – dadurch herrscht dann völlige Inflexibilität.“ Ähnliches gelte auch für die Trauerfeiern: „Es ist nichts Ungewöhnliches, dass wir Pfarrer nur 30 Minuten Zeit haben, und dann die Trauerhalle für die nächste Beisetzung räumen müssen.“ Bestattungen fänden oft unter Zeitdruck statt. „Wenn ein Angehöriger noch ein selbst formuliertes Gebet sprechen möchte, ist das manchmal kaum möglich.“ Vor allem vom Ordnungsamt organisierte Beisetzungen seien oftmals völlig würdelos.

Das berichtet auch Udo Diers, stellvertretender Obermeister der Berliner Bestatter-Innung. „Viele Friedhöfe sind in den letzten Jahren zusammengelegt worden“, sagt der Bestatter. „Dadurch gibt es mancherorts nur noch einen Bagger für die Erdbestattungen, der dann hin- und hergefahren werden muss.“ Und fällt ein Wochentag auf einen Feiertag, fänden auf dem betreffenden Friedhof eben zwei Wochen lang keine Beisetzungen statt. Früher sei das anders gewesen, erinnert sich Diers. „Aber auch die Friedhöfe mussten sparen.“ Doch auch die Angehörigen verzichteten aus Kostengründen immer häufiger auf Trauerfeiern. Immerhin gebe es oft noch einen Qualitätsunterschied zwischen kirchlichen und städtischen Friedhöfen: „Bei den kirchlichen Friedhöfen ist manches noch möglich, was auf den städtischen Friedhöfen schon nicht mehr geht“, sagt der Bestatter. „Dort spürt man oft noch, dass der Abschied von einem Menschen auch den Mitarbeitern etwas bedeutet.“

Allerdings gehören auch die Kreuzberger Friedhöfe an der Bergmannstraße zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Deren Pressesprecher Volker Jastrzembski bedauert die Erlebnisse von Petra Linke. „Was sie erlebt hat, bewegt sich rechtlich im Rahmen der 2007 erlassenen Friedhofsordnung für kirchliche Friedhöfe“, sagt der Kirchensprecher. „Aber natürlich müssen auch Mitarbeiter auf kirchlichen Friedhöfen wissen, wie sie mit trauernden Angehörigen angemessen umgehen.“ Auf den im Besitz der Landeskirche befindlichen Friedhöfen in Stahnsdorf und Ahrensfelde fänden deswegen bereits spezielle Schulungen für Mitarbeiter statt. „Wir hoffen, dass auch die Friedhöfe, die im Besitz einer Kirchengemeinde sind, künftig so eine Schulung machen.“

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